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Warum zur Weihnachtszeit Trauer so schwerfällt und wie dir Rituale dabei Trost spenden können

Weihnachtszeit und Trauer sollten nicht zusammen in einem Satz genannt werden müssen und doch leiden viele Menschen in der Vorweihnachtszeit und vor allem an den Weihnachtsfeiertagen unter dem Verlust eines geliebten Angehörigen.

Die Weihnachtszeit ist schließlich das Fest der Liebe, zu dem die Familie zusammenkommt und man Zeit für die Liebsten nimmt. Wenn plötzlich einer am Tisch fehlt oder ein Kind sein erstes Weihnachten nicht erleben darf, weil es gestorben ist, trifft das die ganze Familie.

Und obwohl jeder Mensch, der einen schweren Verlust erlitten hat, besonders zur Weihnachtszeit mit seiner Trauer zu kämpfen hat, sprechen nur die wenigsten darüber. Warum das so ist, wie du diese eigentlich besinnliche Zeit gut überstehst und wie du die Weihnachtszeit zur Trauerverarbeitung nutzen kannst, erzähle ich heute.

Warum ist Trauer zur Weihnachtszeit so belastend?

Wenn es früher dunkel, die Temperaturen stetig fallen und der erste Schnee des Jahres fällt, beginnt die Vorweihnachtszeit. Für die meisten Menschen ist das eine Zeit der (Vor-)Freude, der magischen Momente und der Zusammenkünfte. Man trifft sich zu Weihnachtsfeiern mit Freunden, Kollegen und Vereinsmitgliedern. Zum Weihnachtsfest dann mit der ganzen Familie. Jeder Adventssonntag wird mit Kerzen, Plätzchen und nach zimt-duftendem Tee zelebriert.

4 Wochen lang genießt man diese Besinnlichkeit und steigert seine Vorfreude, um an den Weihnachtsfeiertagen allen, die man liebt, eine Freude zu machen. Gutes Essen, ein eingeübtes Klavierstück, ein selbstgebastelter Stern für den Weihnachtsbaum, natürlich auch Geschenke und für die Erwachsenen vielleicht ein selbstgebrannter Schnaps.

Ja, diese Zeit ist ganz besonders. Doch für trauernde Menschen, die gerade z.B. die Oma, den Opa oder gar ein Kind verloren haben, ist die Weihnachtszeit sehr belastend.

Erinnerungen an vergangene, glückliche Weihnachtsfeste mit dem geliebten Menschen verstärken oft die Trauer. Man vermisst sie und wünscht sich, man können diese Momente noch einmal mit ihnen erleben. Und bei Sternenkindern, die eigentlich ihr erstes Weihnachten hätten erleben sollten, ist der Schmerz über den Verlust besonders groß.

Auch das erste Weihnachten ohne meinen Sohn war furchtbar. Ich hatte mir alles so schön vorgestellt: das erste Bild auf dem Schoß des Weihnachtsmanns, ein Geschenk, das größer sein sollte als er selbst, sogar eine Weihnachtsmütze mit weißer Bommel hatte ich gekauft. Doch diese Wünsche haben sich nie erfüllt. Mein Sohn starb im Alter von 5 Tagen an den Folgen einer komplizierten Geburt.

Je mehr man den Verstorbenen geliebt hat, desto mehr tut die Trauer weh. Und da Weihnachten das Fest der Liebe ist, schmerzt der Verlust in dieser Zeit am meisten.

Trauerarbeit ist in der Weihnachtszeit besonders wichtig

Weihnachten ist nicht nur das Fest der Liebe, sondern auch ein Fest der Traditionen. Viele Familien haben eigene Rituale, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, wie z.B.:

  • Eine eigene Weihnachtsgeschichte, die im Kreise der Familie vorgelesen wird
  • Das Schauspiel, wenn die Weihnachtsgans aufgeschnitten werden soll
  • Der gemeinsame Spaziergang nach dem Festessen
  • Der Besuch in der Kirche samt Krippenspiel
  • Eine Runde Monopoly, die sich bis 3 Uhr morgens hinzieht, uvm.

In dieser Familienrunde fühlt man sich wohl. Die Geborgenheit ist es, die uns Vertrauen in das Leben schenkt. Man lässt zusammen das Jahr Revue passieren und schaut, was für Herausforderungen im nächsten Jahr auf einen warten. Man teilt seine Zweifel und Erfolge gemeinsam.

Genau diese vertraute Atmosphäre ist es, die wir für die Trauerarbeit brauchen. Aufgefangen werden, über den Schmerz des Verlustes reden, sich an den Verstorbenen erinnern. In einigen Familien klappt das gut. Meist wenn die geliebten Menschen ihr Leben lange genießen konnten und ein hohes Alter erreicht hatten. Da werden Bilder der Verstorbenen ausgekramt und von den lustigsten Erlebnissen mit ihnen erzählt.

Warum ist das Alter der Verstorbenen entscheidend?

Ist das Alter überhaupt entscheidend? Einen Beweis habe ich natürlich nicht. Doch meine Beobachtung ist, dass je jünger das Familienmitglied bei seinem Tod war, desto eher wird es still innerhalb der Familie. Bei Sternenkindern verstummt es häufig gänzlich. Das ist tragisch!

Nur weil nicht über ihren Tod gesprochen wird, heißt es nicht, dass die Hinterbliebenen nicht an die Verstorbenen denken. Im Gegenteil: An Weihnachten denken sie wahrscheinlich an nichts anderes.

Wie wäre es gewesen, wenn…? Was würden wir jetzt tun, wenn… ?

Der Unterschied, den ich beobachtet habe, besteht in der gemeinsamen Zeit, heutzutage auch Quality Time genannt. Je älter ein Mensch wurde, desto mehr Zeit hat man mit ihm verbracht. Und an die schönen Momente erinnert man sich immer gern. Sterben Kinder, hatte man noch nicht viele Gelegenheiten für gemeinsame Erlebnisse. Daher sind es meist die Eltern der verstorbenen Kinder, die all ihre Erinnerungen nicht mit den Angehörigen teilen können. Erst recht nicht, wenn das Kind noch während der Schwangerschaft starb.

Sternenkind-Eltern fühlen sich oft allein mit ihrer Trauer. Dabei sind wir so viele! Und wer in der Weihnachtszeit seine Trauer verdrängt, aus welchen Gründen auch immer, leidet mehrfach. Das darf nicht sein!

👉 9 Tipps für den Umgang mit deiner Trauer an Weihnachten findest du hier.

Neue Rituale spenden Trost an Weihnachten

In der Weihnachtszeit fehlen uns die Menschen, die wir lieben, oft am meisten. Wir denken an sie, vermissen sie und fühlen uns einsam ohne sie. Uns zu öffnen und über unseren Verlust zu reden, kann hilfreich sein. Schließlich fühlen wir uns danach nicht mehr so allein. Dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen uns unsere Trauer an den besinnlichen Weihnachtsfeiertagen überfordern kann.

Mein persönlicher Tipp: Nimm die Situation wahr und nutze sie als Chance, etwas Neues entstehen zu lassen. So kann deine Trauer vor allem in der Weihnachtszeit der Anstoß für eine Veränderung oder einen Neubeginn sein! Genau so wie es 1918 bei Familie Bonhoeffer war:

„An diesem Weihnachtstag sagte unsere Mutter: ‚Wir wollen nachher hinübergehen.‘ Das Hinübergehen heißt, wir gehen alle auf den Friedhof. Mama und Papa sind vorher noch einmal ins Wohnzimmer gegangen und haben einen Tannenzweig vom Baum geschnitten mit einem Licht und Lametta und nehmen diesen Weihnachtszweig für das Grab von Walter mit. Auch in den folgenden Jahren ist es zu Weihnachten bei diesem Friedhofsgang geblieben.“

schrieb Sabine Leibholz-Bonhoeffer (Schwester des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer)

Auch ich schneide jedes Jahr einen Tannenzweig vom Familien-Weihnachtsbaum ab und bringe es zusammen mit etwas Deko an das Grab meines Sohnes. Die Lücke im Baum ist während der Vorweihnachtszeit, an den Feiertagen und auch noch an Silvester sichtbar. Dominik gehört zu mir und meiner Familie, selbst wenn er nicht mehr bei uns ist.

Grab meines Sternenkindes am Weihnachtstag

Weitere Bespiele, wie dein neues Ritual aussehen könnte:

  • Schreibe einen Brief an den/die Verstorbene! Wann immer dich die Trauer an Weihnachten überkommt, ziehe dich zurück und schreibe dir alles von der Seele. Schütte all deine Gedanken aus, so als ob du es der verstorbenen Person erzählen würdest. Danach wirst du besser fühlen. Mir spendete das in den ersten Trauerjahren viel Trost.

  • Plane einen Besuch am Grab am Weihnachtstag! Ob du nach dem Krippenspiel in der Kirche ans Grab gehst oder die Route des Spaziergangs nach dem Festessen leicht abänderst, ob du allein oder mit der ganzen Familie gehst, das hängt davon ab, wie du dich dabei fühlst. Probiere es aus und schaue, ob dir dieser Besuch guttut. Wenn ja, wiederhole es jedes Jahr. Nimm gern auch den Brief, falls du einen geschrieben hast, mit und eine Kerze.

  • Decke einen Platz am Tisch ein! Lass‘ einen Platz am Weihnachtstisch frei und stell‘ dort ein Bild des/der Verstorbenen, eine bedeutungsvolle Kerze oder ein Erinnerungsstück an ihn/ihr auf. So ist er/sie immer sichtbar und dir und deiner Familie fällt mit der Zeit das Reden über die verstorbene Person leichter.
  • Gestalte eine eigene Kerze an! In der Weihnachtszeit flackern viele Kerzen. Wie wäre es, wenn du eine eigene Kerze bemalst, dekorierst z.B. den Namen, Spitznamen und/oder die Geburtsdaten der verstorbenen Person darauf schreibst? Stell‘ die Kerze an Weihnachten in die Mitte des Tischs und fühle die Nähe zu ihm/ihr.
Andenken an mein Sternenkind
  • Gehe zu einem Weihnachtsgottesdienst für Trauernde! Einige Organisationen und Kirchengemeinden bieten selbst an Heiligabend Gottesdienste für Hinterbliebene an, die der immer währenden Besinnlichkeit entfliehen wollen.

„Es kamen Menschen, die sich vor ungebrochener Fröhlichkeit fürchteten. Die wollten kein Weihnachten mit Lametta und Krippenspiel. Die wollten weinen dürfen.“

sagte Isolde Böhm vom Kirchenkreis Tempelhof in Berlin

Fazit

Für Trauernde ist die Weihnachtszeit eine besonders schwere Zeit. Der Trubel und die Hektik rund um das Weihnachtsfest verstärken die Gefühle von Einsamkeit und Verlust oftmals und der Weihnachtsabend selbst kann zu einer echten Herausforderung werden. Ich kenne das.

Halte an alten Traditionen fest, wenn du Halt suchst, und führe neue Rituale ein, wenn du schon weit genug in deiner Trauerarbeit vorangekommen bist. Verharre jedoch nicht in der Vergangenheit. Stelle dich deiner Trauer, nimm sie an und konzentriere dich auf das Jetzt.

Widme dich den Dingen, die jetzt um dich herum sind, den Menschen, die dir helfen wollen, und versuche dankbar zu sein für das, was du hast. Im ersten Trauerjahr wird dir das bestimmt schwer fallen. Doch es sollte Jahr für Jahr leichter werden. So wie bei mir.

Haben dir meine Gedanken zur Trauer in der Weihnachtszeit geholfen? Kannst du dir vorstellen, eines der Rituale auszuprobieren? Verrate es mir unten in den Kommentaren.

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