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„Trotz der Diagnose Trisomie 13 haben wir Tarje weitergetragen und ihn so seinen Weg selbst bestimmen lassen“, erzählt Kim

Diagnose Trisomie 13 – das kommt nur bei einer von 10.000 Schwangerschaften vor. Und doch ereilte den kleinen Tarje dieses Schicksal im Oktober 2023.

Wie seine Eltern Kim und Marcel mit dieser Diagnose umgegangen sind, warum sie sich fürs Weitertragen entschieden haben und wie der Tod ihres Sohnes sie verändert hat, berichtet Kim im Interview.

Was ist Trisomie 13, wie kann es erkannt werden und welche Lebenserwartung haben Kinder mit Trisomie 13? Das erfährst du in der Infobox.

Stefanie: Liebe Kim, wir haben ja bereits über deine Tochter Freya, die unter der Geburt am plötzlichen Kindstod starb, gesprochen.

Und nun geht es um Tarje, dein zweites Sternenkind, das ebenfalls spät in der Schwangerschaft gestorben ist. Mein tiefes Mitgefühl zu diesen zwei schweren Verlusten.

Magst du von der Schwangerschaft mit deinem Sohn erzählen?

Kim: Ja, sehr gern. Marcel, mein Mann, und ich trauerten damals noch um Freya, als ich sieben Monate nach Freyas Geburt ungeplant schwanger wurde.

Stefanie: Hast du dich darüber gefreut oder überwog die Angst?

Kim: Ich war total schockiert, weil wir eigentlich bis zwölf Monate nach der Not-OP bei Freyas Geburt warten sollten. Aber gefreut haben wir uns schon ein bisschen.

Stefanie: Und wie verlief die Schwangerschaft?

Kim: Anfangs sehr gut. Wir haben keine Tests machen lassen und selbst als meine Frauenärztin in der 20. SSW (Schwangerschaftswoche) Verkalkungen in Tarjes Herz feststellte, hegte niemand einen bösen Verdacht.

Stefanie:

Sind Verkalkungen im Herzen des Babys normal bzw. nicht so schlimm?

Kim: Meine Frauenärztin erklärte mir, dass das schon mal vorkommen kann, vor allem, weil ich zwei Wochen zuvor eine starke Erkältung hatte. Dennoch schickte sie mich aufgrund meiner Vorgeschichte und des Diabetes zur Pränataldiagnostik.

Stefanie:

Haben die Untersuchungen etwas Auffälliges ergeben?

Kim: Ja, leider. Nach der Fruchtwasseruntersuchung erhielten wir am darauffolgenden Dienstag, den 31.10.2023, die niederschmetternde Diagnose Trisomie 13. Gleichzeitig erfuhren wir, dass wir einen Jungen bekommen würden. Schon vor der Diagnose stand sein Name fest: Tarje Jora. Unbewusst hatten wir uns diesen so passend ausgesucht. Tarje Jora heißt groß übersetzt „Kämpfer im Herbstregen“.

Trotz seines dort bereits schweren Herzfehlers, den zusätzlichen Zehen, den Verkalkungen im Herzen, Leber und Darm, entschieden wir uns für das Weitertragen.

INFOBOX: Trisomie 13

Was ist Trisomie 13?

Trisomie 13 (auch Pätau-Syndrom) ist eine schwere, genetische Chromosomenstörung. Dabei ist das Chromosom 13 in jeder Zelle 3x – anstatt 2x wie bei einem gesunden Menschen – vorhanden.

Wie ist die Lebenserwartung von Kindern mit Trisomie 13?

Die Lebenserwartung von Kindern mit Trisomie 13 ist sehr gering. Ungefähr 90% der betroffenen Kinder sterben innerhalb des ersten Lebensjahres, sofern sie lebend geboren werden.

Viele Kinder überleben nur wenige Tage oder Wochen. Allerdings gibt es seltene Fälle, in denen Kinder mit Trisomie 13 mehrere Jahre leben. Die Prognose hängt stark von der Schwere der angeborenen Fehlbildungen ab.

Gibt es Symptome bei Trisomie 13?

Ja, es gibt eine Vielzahl an Symptomen bei Trisomie 13. Sie können jedoch von Kind zu Kind variieren. Das sind einige der häufigsten Trisomie 13-Symptome:

Körperliche Merkmale:

  • kleine Augen (Mikrophthalmie) oder kleiner Kopf (Mikrozephalie)
  • Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
  • schwerwiegende Fehlbildungen des Gehirns, wie Holoprosenzephalie (das Gehirn teilt sich nicht korrekt in zwei Hemisphären)
  • tief stehende Ohren
  • Kleinwuchs und ein geringes Geburtsgewicht
  • Möglicherweise überzählige Finger oder Zehen (Polydaktylie)

Herzfehler:

Häufig treten schwere angeborene Herzfehler auf, wie zum Beispiel ein Ventrikelseptumdefekt (Loch in der Wand zwischen den Herzkammern) oder eine Dextrokardie (das Herz ist auf der rechten Körperseite).

Neurologische Probleme:

  • Krampfanfälle
  • Schwerwiegende Entwicklungsverzögerungen und geistige Behinderungen

Andere Symptome:

  • Nierenfehlbildungen
  • Fehlbildungen der Genitalien
  • Probleme beim Füttern und Schlucken

Die meisten dieser Symptome sind bereits pränatal oder kurz nach der Geburt erkennbar.

Kann man Trisomie 13 im Ultraschall erkennen?

Ja, anhand der oben erwähnten möglichen Symptome ist eine Trisomie 13 bereits mittels Ultraschall erkennbar. Diese Auffälligkeiten sind jedoch nur Hinweise, keine definitive Diagnose.

Wenn der Verdacht auf Trisomie 13 besteht, wird oft eine weiterführende genetische Untersuchung, wie eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) oder eine Chorionzottenbiopsie, empfohlen, um die Diagnose zu bestätigen.

Wie häufig tritt Trisomie 13 auf?

Trisomie 13 tritt relativ selten auf. Die Häufigkeit liegt bei etwa 1 von 10.000 Lebendgeburten. Die Wahrscheinlichkeit von Trisomie 13 steigt mit dem Alter der Mutter, ähnlich wie bei anderen Chromosomenanomalien.

Viele Schwangerschaften mit Trisomie 13 enden jedoch im frühen Stadium durch Fehlgeburten. Die tatsächliche Häufigkeit der Trisomie 13 könnte also höher sein, wenn man alle Schwangerschaften berücksichtigt.

Wie hoch ist das Wiederholungsrisiko bei Trisomie 13?

Das Wiederholungsrisiko für eine Trisomie 13 hängt von der genauen Ursache der Chromosomenanomalie ab. Da es unterschiedliche Arten von Trisomie 13 gibt, kann eine genetische Beratung helfen, das individuelle Risiko besser einzuschätzen.

Bitte beachte, dass die Informationen aus der Recherche öffentlicher Quellen wie onmeda.de, meine-gesundheit.de und enableme.ch stammen. Hier findest du auch weitere Details zum Thema, wie z.B. Ursachen und Varianten von Trisomie 13 sowie Untersuchungen beim Verdacht der Chromosomenanomalie.

Stefanie: Das ist eine mutige Entscheidung in Anbetracht der Liste an Einschränkungen und der geringen Lebenserwartung, oder!?

Kim: Ja, das stimmt. Doch so bekam er eine Chance und konnte seinen Weg ganz alleine bestimmen.

Stefanie: Eine sehr weise Entscheidung.

Gab es weitere Beweggründe fürs Weitertragen?

Kim: Ja, die gab es, denn die Ärzte haben uns sehr gut und ausführlich beraten und uns die Vor- und Nachteile erklärt. Erst der Professor der Pränataldiagnostik und auch die Oberärztin der Neonatologie.

Der Chefarzt war immer für uns ansprechbar, machte Termine für mich aus und gab uns die Sicherheit, das für uns Richtige zu tun.

 „Egal, welchen Weg ihr geht, wir gehen ihn mit euch“, sagte er.

Stefanie: Wow, das ist eine tolle Einstellung. Von solch einer empathischen Aussage habe ich selten gehört. Waren denn alle Ärzte so einfühlsam?

Kim: Nein. Meine Frauenärztin konnte unsere Entscheidung für das Weitertragen nicht nachvollziehen. Kurz vor Weihnachten sagte sie bei einem auffälligen CTG:

„Es sieht so, aus als würde Ihr Sohn jeden Moment sterben! Wäre Ihr Kind normal, würde ich sie jetzt ins Krankenhaus schicken.“

Stefanie: Ich bin sprachlos. Der Fakt, dass Tarje jeden Moment sterben könnte, ist hart aber fair. So wusstest du, woran du bist. Deinen Sohn jedoch als unnormal zu bezeichnen, das geht gar nicht. Wie hast du dich da verhalten?

Kim: Meine Schwester, die mich begleitet hatte, und mir fehlten die Worte. Wir verließen kommentarlos die Praxis. Im Nachhinein habe ich ihr eine Beschwerde-E-Mail geschrieben, auf die sie erst antwortete, als ich ihr mitteilte, dass ich die Praxis wechsle. In ihrer Antwort versuchte sie, sich zu rechtfertigen.

Stefanie: Deinen Arztwechsel kann ich verstehen. Da wärst du sicher nicht mehr mit einem guten Gefühl hingegangen. Behielt sie dennoch Recht? D.h.,

Ist Tarje bald darauf gestorben?

Kim: Ja, tatsächlich. Bis zum nächsten regulären Termin hat er es nicht mehr geschafft. Immerhin schafften wir alle Ziele, die wir uns mit ihm gesteckt hatten.

Stefanie: Ziele? Welche waren das denn?

Kim: Wir wollten unbedingt ein Babybauchshooting machen. Das war uns wichtig, um uns so Erinnerungen zu schaffen. Bei Freya haben wir das leider nicht gemacht.

Außerdem wollten wir in Ruhe Weihnachten und Silvester feiern. Auch hier haben wir uns Andenken geschaffen und Fotos gemacht, die uns an ihn erinnern.

Und das dritte Ziel war, dass Tarje seinen Weg selbst entscheidet und ich ihn, wann immer er bereit ist, spontan entbinde.

„Wenn du gehen möchtest, dann geh zu deiner Schwester und spiel mit ihr“, sagte ich an einem Abend zwischen den Feiertagen zu ihm.

Ich glaube, dass er kurz darauf gegangen ist.

Stefanie: Puh, das ist traurig und schön zugleich. Zum einen, weil ihr euch alle Wünsche mit ihm erfüllt habt und zum anderen die Vorstellung, dass die große Schwester den kleinen Bruder im Himmel in ihre Arme schließen kann.

Und wann war es dann soweit?

Kim: Der nächste reguläre Untersuchungstermin wäre am 08.01.24 gewesen. Doch am 06.01.24, zum Ende der 33. SSW, guckte plötzlich die Fruchtblase heraus. Ich schob sie zurück. Daraufhin bekam ich starke Wehen und wir mussten ins Krankenhaus.

Stefanie: Ach du je. Das war bestimmt ein Schock, oder!?

Kim: Ja, schon. Aber wir hatten uns zwischen den Feiertagen ja unterbewusst schon von ihm verabschiedet.

Stefanie:

Wie ging es im Krankenhaus weiter?

Kim: Direkt zu Beginn wurde ein Ultraschall gemacht und keine Herztöne mehr gefunden. Dies bestätigte leider das, was ich seit ein paar Tagen schon vermutete.

„Tarje ist also zu seiner Schwester gegangen. Dieser Gedanke half mir.“

Außerdem konnte ich ihn natürlich entbinden. Das half mir ebenfalls. Innerhalb von 4,5 Stunden war er auf der Welt.

Tarje Jora – 06.01.2024 – 15:48 Uhr – 48 cm mit 2.480 Gramm

Stefanie: Das glaube ich dir. Die Psyche spielt ja doch eine wichtige Rolle in solchen Extremsituationen. Warst du eigentlich im selben Krankenhaus wie bei Freya?

Kim: Nein, leider nicht. Aufgrund seiner Trisomie 13 Diagnose und der Tatsache, dass wir ihn seinen Weg selbst bestimmen ließen, wollten wir bestmöglich darauf vorbereitet sein, falls er doch lebendig zur Welt gekommen wäre. Daher wurden wir die gesamte Schwangerschaft und auch während der Entbindung in einem Level-1-Krankenhaus betreut.

Stefanie: Waren Sie dort gut auf Sternenkinder vorbereitet?

Kim: Nicht wirklich. Die Hebammen und Ärzte waren zwar toll, doch ansonsten mussten wir uns um vieles selbst kümmern. Nur auf Nachfragen kontaktierte eine Ärztin für uns den Bestatter.

Mit der Sternenkinderfotografin hatte ich im Vorfeld schon Kontakt gehabt, da sie uns auch bei Freya begleitet hatte und wir sie gerne wieder dabeihaben wollten. Es gab auch kein Kühlbettchen in diesem Krankenhaus, was eigentlich ein Unding ist.

Stefanie: Oh je, das tut mir leid. Auch die schon erfolgte Anmeldung der Geburt ein paar Wochen zuvor verlief nicht optimal, oder?

Kim: Leider nein. Die Hebamme, die uns anmeldete, war ruppig und auf die Fragen hin, ob ich in unserer ungewissen Situation ein Einzelzimmer bekommen würde oder ob Marcel bei mir bleiben dürfte, antwortete sie nur schroff, dass sie das nicht zusagen kann. Für uns ein Schock, denn ich wollte garantiert nicht mit einer glücklichen Schwangeren auf ein Zimmer.

Schlussendlich hatten wir aber Glück und bekamen zusammen ein Zimmer. Weit weg von der Entbindungsstation und den schreienden Babys.

Stefanie: Na immerhin. Und wie lief dann die Beantragung der Geburtsurkunde? Das ist sicherlich auch schwer gewesen.

Kim: Bei Freya hatte das damals alles eine Hebamme für uns übernommen. Hier war es so, dass ich im Foyer des Krankenhauses die Formulare ausfüllen musste, während andere Menschen, und vor allem glückliche Eltern mit ihren Neugeborenen, an mir vorbeiliefen. Eine schlimme Situation, die ich niemandem so wünscht.

Stefanie: Puh, das lief in der Tat nicht optimal. Konntet ihr neben den Fotos der Sternenkinderfotografin noch weitere Erinnerungen schaffen?

Kim: Wir selbst nicht, aber eine Hebamme schaffte es, mit der Hilfe der Azubine Fußabdrücke von Tarje zu nehmen. Das dauerte 1,5 Stunden, da sich aufgrund der fehlenden Kühlung und des früheren Todeszeitpunktes schon seine Haut ablöste. Wir sind so dankbar für ihren Einsatz, denn so haben wir einen Beweis für seine zusätzlichen Finger und Zehen.

Stefanie: Das kann ich mir gut vorstellen.

Würdet ihr euch jetzt, einige Monate nach Tarjes Geburt, wieder für das Weitertragen bei Trisomie 13 entscheiden?

Kim: Ja, immer! Es war die beste Entscheidung unseres Lebens! Dank dieser Entscheidung geht es uns heute gut und wir müssen uns keine Gedanken machen über ein Was-wäre-Wenn. Denn wir haben unser Was-Wäre-Wenn erlebt und das ist ein tolles Gefühl.

Wir müssen nichts bereuen, denn wir hatten noch zehn Wochen Zeit, bevor Tarje zu seiner Schwester gereist ist. Diese kurze Zeit haben wir mehr als intensiv genossen und ausgenutzt.

Stefanie: So schön zu hören.

Haben all die Erfahrungen mit der Trisomie 13 und der Tod eurer Kinder dich und deinen Mann verändert?

Kim: Oh ja, durch unsere beiden Sternenkinder haben Marcel und ich so viel gelernt. Wir wissen jetzt alles viel mehr zu schätzen. Und ich habe eine Aufgabe für mich gefunden, indem ich mich dem Thema Sternenkinder widme und mich für andere Sterneneltern engagiere. Zudem schreibe ich unsere Geschichte gerade als Buch zusammen, bevor die Erinnerungen zu doll verblassen.

Stefanie: Das hört sich wundervoll an. Dass das Schreiben hilft, kann ich nur bestätigen. Ich habe mein Buch ja ebenfalls geschrieben, um möglichst viel von meinem Sohn und seinem kurzen Leben festzuhalten.

Und die Unterstützung anderer Betroffener hilft zusätzlich, den Sterneneltern und dir selbst. Bist du hierfür Mitglied in einem Sterneneltern-Verein?

Kim: Ich unterstütze die Hospizhilfe, von der ich nach dem Tod von Freya und Tarje aufgefangen wurde . Der Austausch tat unheimlich gut, und mir wurde so toll geholfen. Da wollte ich unbedingt etwas zurückgeben. Und ja, das Helfen hilft mir tatsächlich.

Stefanie: Das freut mich sehr zu hören, dass du beide Male gut aufgefangen wurdest. Das zeigt wieder einmal, wie wichtig schnelle, gute Betreuung nach einem Verlust ist.

Wobei unterstützt ihr hauptsächlich?

Kim: Aktuell sind wir dabei einen Weihnachtsbogen auf unseren Weihnachtsmarkt zu organisieren. Es tut gut, das Thema in die Mitte der Gesellschaft zu rücken, aber auch Betroffenen in der Adventszeit zu helfen. Weihnachten ist ja doch irgendwie schwierig als Sternenmama. Außerdem arbeiten wir an einem Sternenkinder-Kompass.

Stefanie:

Was ist denn ein Sternenkinder-Kompass?

Kim: Na ja, bekommt man ein lebendes Kind, erhält man bei uns im Landkreis eine Art Wegweiser und Infomaterial an die Hand. Bei meinen Sternenkindern bekam ich das nicht. Doch gerade dann benötigt man viel mehr Infomaterial, weil das Umfeld oftmals verstummt und man keine Tipps von außen erhält.

Der Sternenkinder-Kompass soll dann möglichst von Gynäkolog:innen, Bestatter:innen und Hebammen ausgegeben werden, damit sie diesen an Betroffene austeilen können.

Stefanie: Das ist eine tolle Idee. Ich habe tatsächlich schon von solchen Info-Paketen gehört und gelesen. Und auch unser Verein versorgt Krankenhäuser, Hebammen, Frauenärzt:innen mit regionalen Angeboten und Infos. Eine deutschlandweite Info-Broschüre wäre allerdings sehr sinnvoll. Vielleicht kann der Bundesverband Kindstod e.V. das irgendwann einmal etablieren.

Aber kommen wir noch mal auf „das Umfeld verstummt“ zurück. Aus eigener Erfahrung kann ich deine Beobachtung bestätigen. Dennoch reden einige wenige, was jedoch nicht immer hilfreich ist. Welche Aussage machte dich richtig wütend? Und was hättest Du Dir stattdessen gewünscht?

Kim: Oh, das ist einfach zu beantworten. Von einigen bekamen wir zu hören: „Ihr könnt euch ja bei uns melden.“ Doch als frisch-verwaiste Mama hatte ich keine Kraft dazu. Daher war ich sehr froh, dass meine Familie und Freunde da waren. Sie halfen beim Einkaufen, kochten hin und wieder und hörten einfach zu. Das half mir sehr.

Stefanie: Das glaube ich dir gern. Die Geschichten über verstorbene Kinder wollen die wenigsten hören und doch sind es unsere Kinder. Sie sind nicht weniger wert als Kinder, die man an der Hand führt. Und doch werden Sternenkinder oft nicht akzeptiert. Dabei gibt es so schöne Verbindungen, die Mütter zu ihren Sternenkindern aufbauen.

Ich habe auf deinem Instagram-Profil gesehen, dass an den Gräbern deiner Kinder Dosen hängen. Was hat es damit auf sich?

Kim: Das ist ein Dosentelefon. So wirkt es, als würden die beiden miteinander spielen und sie haben eine Verbindung. Die Gräber von Freya und Tarje liegen nicht direkt nebeneinander, daher haben wir dieses Dosentelefon gebastelt.

Es läuft hinter den dazwischenliegenden Gräber entlang. Das haben wir selbstverständlich vorher mit den anderen Sterneneltern besprochen. Ohne ihre Erlaubnis hätten wir das nicht gemacht.

Stefanie: Ich habe auch „Happy Birthday“-Luftballons an Freyas Grab entdeckt. Feiert ihr die Sternengeburtstage jedes Jahr oder ist es eher ruhig an diesen Tagen?

Kim: Wir feiern jedes Jahr Geburtstag. Hier kommt dann auch die Familie zu Besuch. Wir lassen Luftballons steigen und essen Kuchen. Es gibt auch eine Geburtstagskerze, die ausgepustet wird. Diese Tage sind schon etwas Besonderes für uns.

Stefanie: Wow, sogar mit Familie. Dieser Zusammenhalt ist wirklich beeindruckend und stärkt euch sicherlich sehr. Gibt es eine Botschaft, die du aus deiner Erfahrung heraus anderen trauernden Eltern mitgeben möchtest?

Kim: Wenn ich nur eine Botschaft an Sterneneltern weitergeben dürfte, wäre es diese:

Wir Sternenmütter sind auch Mütter und unsere Kinder hätten nicht gewollt, dass wir dauerhaft traurig sind.“

Stefanie: Das finde ich eine ganz tolle Botschaft, denn auch ich hatte das Gefühl, ich müsste dauerhaft traurig über den Tod meines Sohnes sein. Die Dankbarkeit, ihn gehabt zu haben, wurde mit der Zeit immer präsenter und nahm irgendwann mehr Raum ein als die Traurigkeit. Das haben viele Menschen nicht verstanden und verwirrte mich oft.

Daher danke ich dir für diesen Impuls, liebe Kim! Er wird hoffentlich vielen Sternenmüttern helfen und sie in ihren Gefühlen bestärken!

Ich danke dir außerdem für deine Offenheit, über Tarje, seine Trisomie 13 und seine Geburt zu sprechen. Die Einblicke in deine Geschichte wird einigen Menschen die Augen öffnen, vor allem über eure Entscheidung für das Weitertragen.

Wenn du selbst Hilfe bei der Entscheidung FÜR oder GEGEN das Weitertragen suchst, empfehle ich dir das Buch „Schwere Entscheidungen leicht treffen“ von Marion Glück. Sie hat die komplexen Entscheidungsprozesse anhand ihrer eigenen Geschichte verdeutlicht.

Und nun liebe Kim, wünsche ich dir und Marcel das Allerbeste für die Zukunft, vor allem einen kleinen Regebogen, sowie viel Durchhaltevermögen beim Schreiben deines Buches. Ich weiß, es kostet jede Menge Kraft, sich sein Schicksal immer wieder vor Augen zu führen. Doch das Schreiben heilt dich. Und wenn du es veröffentlichst, heilt es noch mehr Menschen.

Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht oder möchtest ein paar liebe Worte an Kim richten, schreibe sie gern unten ins Kommentarfeld.

Möchtest du Kims Geschichte weiterverfolgen, folge ihr gern auf Instagram.

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