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Lesung in Guben: Trauern um ein Sternenkind

“Eine Lesung halten? In Guben? Da kennen dich doch so viele”, hörte ich immer wieder, als ich von meinem Vorhaben erzählte. “Eben drum”, dachte ich. So bin ich wenigstens nicht allein.

Auf Social Media tummeln sich inzwischen viele Menschen, die über Tabuthemen wie Sternenkinder, Tod und Trauer sprechen oder vielmehr schreiben – doch oftmals anonym. Ich hingegen rede offen darüber. Es tut den Menschen gut, also gab es die Lesung in Guben, meiner Heimatstadt.

Wie viele Zuhörer:innen dort waren, welche besonderen Gäste teilnahmen und welches Feedback ich erhielt, erfährst du in diesem Artikel.

Wann und wo fand die Lesung in Guben statt?

Wo? Stadtbibliothek Guben
(Gasstraße 6, 03172 Guben, Brandenburg)

Wann? 21.04.2023 um 19 Uhr

Kosten? Eintritt frei. Um Anmeldung wurde jedoch gebeten, damit auch für jeden ein Stuhl bereit gestellt werden konnte. 😉

Ihr seid herzlich eingeladen, an der Lesung in Guben teilzunehmen.

Ankunft in der Gubener Bibliothek und Vorbereitung der Lesung

Gegen 18:30 Uhr traf ich mit meinem Mann auf dem Parkplatz der Stadtbibliothek ein. Erste Zuhörer kamen gleichzeitig. Ich kannte sie, allesamt Familienmitglieder. Demnach ging eines meiner Ziele auf. Ich war nicht allein.

Während mein Mann und ich die Lesungsmaterialien in die Gubener Stadtbibliothek brachten und verteilten, trafen weitere Zuhörer ein. Einige kannte ich, andere nicht.

Die Gubener Stadtbibliothek, der Ort der Lesung am 21.04.2023 um 19 Uhr

Wir legten unter anderem Flyer, eine Umfrage und Taschentücher bereit. Ja, in meinen Lesungen darf geweint werden. Ich selbst schaffe es nie, tränenfrei zu bleiben. Das muss auch niemandem unangenehm sein. Nicht den Zuhörer:innen und mir sowieso nicht. Ich habe schon im Radio geweint.

Tränen sind lediglich die sichtbar gewordene Liebe, die wir für unsere verstorbenen Lieben empfinden. Und die muss nicht verdrängt werden, auch wenn viele Jahrzehnte lang etwas anderes erzählt und möglicherweise gelehrt wurde.

Um 19 Uhr waren wir vollzählig. Eigentlich sogar mehr. Angemeldet waren 34 Personen. Zwei Sternenmamas, die ich über Instagram kennengelernt habe, sagten mir am Tag zuvor ab. Dennoch waren wir 39 Personen (37 Zuhörer:innen, 1 Bibliothekarin und ich), die alle gemeinsam in einen intensiven Abend starteten.

Kurz 19 Uhr waren alle Zuhörer:innen in der Stadtbibliothek in Guben.

Besondere Gäste bei der Lesung in Guben

Ich freute mich – ganz klar – über JEDE:N, der an diesem Abend da war. Ob Sterneneltern oder Nicht-Betroffene, am Thema Interessierte oder bereits Begleiter von Sternenkind-Eltern.

Jeder war herzlich eingeladen und willkommen, denn jede:r, der sich den Tabuthemen Sternenkinder, Tod und Trauer öffnet, ist eine:r mehr auf dem Weg zu einer toleranteren Gesellschaft.

Mit meiner Mission stand ich zum Glück nicht allein da. Ich hatte Unterstützung an meiner Seite:

Vorstellung Nadija Frank - Gründerin des Sternenbands

Nadija Frank, Gründerin vom Sternenband

Das Sternenband ist das offizielle Erkennungszeichen für Sterneneltern und Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Seit 2018 engagiert sie sich ehrenamtlich in diversen Organisationen und Vereinen und bringt ihr Herzensprojekt, das Sternenband, immer weiter voran.

Katrin Titze - Sternenkinder-Fotografin

Katrin Titze, Sternenkind-Fotografin

Katrin ist Mitglied bei der Stiftung „Dein Sternenkind“ und fotografiert seit 2017 Sternenkinder. Jeder Einsatz ist einzigartig, weil jedes Kind und jedes Elternpaar einzigartig sind. Oftmals weiß Katrin nicht, was sie genau erwartet. Schließlich trauert jeder Mensch auf seine eigene Weise.

Wie ich im Nachhinein erfuhr, nahmen auch Engagierte in diesem Bereich, wie z.B. Sterbebegleiter und Hospiz-Ehrenamtliche, an meiner Lesung in Guben teil. Es meldete sich auch eine Frau, die eine Selbsthilfegruppe in Guben gründen möchte. Das finde ich großartig. Und nicht zuletzt war auch eine meiner fünf Testleserinnen im Publikum.

Einstieg in die Gubener Lesung

Den Anfang machte Frau Sabine Wally, meine Ansprechpartnerin bei der Bibliothek. Mit ihr kommunizierte ich von Anfang an. Frau Wally stellte mich vor und übergab mir dann das Wort.

Ich blickte in Gesichter, über die Tränen kullerten. Dabei hatte ich noch kein Wort gesagt. Ich hielt den Einstieg daher kurz, erklärte die Mitbringsel und lockerte die Runde mit einer Umfrage auf. Ich wollte mir nämlich einen Überblick verschaffen, wer mir bei der Lesung zuhört.

Einstiegsfragen zur Aufklockerungen

Hier die Ergebnisse der Einstiegsfragen:

  • Zuhörer:innen: 37 Personen (eindeutig mehr Frauen als Männer) & Frau Wally
  • Betroffene: 16
  • Nicht-Betroffene (oder nicht als betroffen gemeldet): 21
  • Begleiter von Sterneneltern: 3
  • Hebammen: 0
  • Fachpersonal (Ärzte, Schwestern auf Wochenbett-Stationen): 0
  • Mitarbeiter von Bestattungshäusern: 0
  • Sternenkind-Fotografin: 1

Diese Zahlen spiegeln ziemlich eindeutig das Bild in der Gesellschaft wider. Es betrifft einen Großteil der Menschen, doch diejenigen, die an vorderster Front sind, wollen davon nichts von der emotionalen Seite und Psyche der Sterneneltern hören. Genau deswegen läuft die Betreuung auch immer noch suboptimal ab.

Nun könnte man sagen, sie wussten nichts von der Lesung. Möglich. Dennoch wurde einiges dafür getan, dass sie davon erfahren.

Ich selbst habe E-Mails verschickt. Manuell und personalisiert. Und wenn ich mich nicht verzählt habe, waren es 172 im Zeitraum vom 1.-18.04.2023. Ich schrieb genau die oben genannten Gruppen an (auch einige Ehrenamtliche), die von Berufswegen Kontakt zu Sterneneltern haben. Rückmeldungen erhielt ich allerdings nur ca. zehn. Darunter Katrin Titze und einige Interessierte, für die Guben zu weit weg war.


Außerdem wurde im Vorfeld über die Lesung in Guben in diversen Zeitungen berichtet: Neiße Echo, Wochenkurier, Märkischer Bote, Lausitzer Rundschau.

Die Lesung wurde auch in diversen Veranstaltungskalendern, wie z.B. beim Lausitzer Seenland, platziert.

Weiterhin gab es Plakatwerbung, es wurden Flyer ausgelegt und über Social Media wurde die Lesung auch geteilt.

Plakatwerbung für meine Lesung in Guben

All diese Aktionen führten wahrscheinlich zu den 37 Zuhörer:innen. Eine Zahl, von der ich begeistert war und immer noch bin. Auch Frau Wally war sehr zufrieden. Die Werbung hat also ihre Früchte getragen. Doch diejenigen, die in Erstkontakt stehen, waren nicht vertreten.

Zwischenfazit: Wir haben noch viel zu tun! Und ich hoffe, jede:r der Zuhörer:innen bei der Lesung in Guben hilft mit. 😊

Vorlesen und über Trauer reden

Dann setzte ich mich an den Tisch, auf dem mein Buch bereitlag. Ich fing an, meinen autobiografischen Roman “Eine Handvoll Sonnenschein” vorzustellen und begann mit dem Vorwort. Dieser Teil des Buches gibt schon allerhand Hintergrundinformationen zu mir und meiner langen Kinderwunschgeschichte. Falls du es nicht kennst, kannst du das Vorwort hier nachlesen.

Sternenkindbuch "Eine Handvoll Sonnenschein" von Stefanie Goldbrich

Immer wieder erzählte ich während der Lesung, wie ich mich gefühlt habe: während der Vorfreude auf mein Baby, während und nach der Geburt, von den Arztgesprächen, während Dominiks Überlebenskampf, natürlich auch während und nach seinem Tod.

Die Zuhörer:innen waren still und lauschten meiner Lesung und meinen Erzählungen. Niemand verließ den Raum, obwohl ich tatsächlich damit gerechnet hätte. Einige lächelten zwischendurch, andere weinten von Anfang bis Ende durch. Es war schön zu sehen, wie die meisten ihren Gefühlen öffentlich freien Lauf ließen. Schließlich ist fühlen menschlich!

Es gab auch kleine Lacher. Nur wenige, aber immerhin! Kurze Momente zum Durchatmen in den sonst intensiven 1,5 Stunden, die die Lesung dauerte.

Nach einem Überblick in meine Trauerbewältigung, einigen Tipps für Betroffene und Nicht-Betroffene und einem Einblick in mein heutiges wieder glückliches Leben beendete ich die Lesung.

Fragen, Feedback und Gespräche nach der Lesung

Anschließend hätten Fragen gestellt werden können. Doch es kamen keine. Jedenfalls nicht in der großen Runde. Wahrscheinlich waren die meisten noch in ihren eigenen Gedanken gefangen.

Im Einzelgespräch wurden dann Fragen an mich gerichtet und auch um Signierung gebeten. Ja, man konnte mein Buch (Taschenbuch und Festeinband) vor Ort kaufen.

Mein Mann verantwortete sowohl den Verkauf als auch die Verteilung der Flyer der teilnehmenden oder in der Nähe ansässigen Vereine und Stiftungen. Somit konnte sich jede:r Lesungsteilnehmer:in etwas Unterstützung für Sterneneltern mitnehmen.

Bücher, Fyler, Roll-up - alles ist bereit, um über Sternenkinder aufzuklären

Außerdem erhielt ich wunderbares Feedback. Sieh‘ selbst:

"Was hat die besonders gut gefallen?" war nur eine Frage, die ich zu meiner Lesung stellte.

„Ich freue mich riesig, dass der Abend so gut bei allen Teilnehmern ankam, dank Deiner hervorragenden Planung und Vorbereitung. Du hast im Vorfeld an alles gedacht und alle Anwesenden zutiefst berührt. Deine Geschichte so schonungslos zu erzählen, ohne Mitleid erhaschen zu wollen, ist in meinen Augen sehr mutig. Es waren ja eben auch etliche Betroffene dabei und ich bin mir sicher, dass dieser Abend für sie sehr wichtig war, weil auch ihre Erfahrungen damit sichtbar gemacht wurden.“

Sabine Wally, Mitarbeiterin der Stadtbibliothek Guben

Fazit zur Gubener Lesung

Die Lesung in Guben war meine erste Lesung. Mir fehlt also der Vergleich. Vom Gefühl her kann ich jedoch sagen, dass ich den Abend sehr genoss. Ich habe öffentlich über Dominik und meine Trauer reden dürfen, habe keinerlei negatives Feedback bekommen oder verletzende Bemerkungen gehört.

Es sind wunderbare Gespräche vor und nach der Lesung entstanden. Ich habe neue Menschen kennengelernt, die sich ebenfalls aktiv engagieren, und ich habe „alte“ Bekannte wiedergesehen, die ich teilweise 15 Jahre oder länger nicht gesehen habe.

Würde ich erneut vor der Überlegung meiner ersten Lesung stehen, würde ich immer wieder Guben bevorzugen.

Nach der Lesung ergaben sich wunderschöne Gespräche.

Und somit geht auch ein großes Dankeschön an die Stadtbibliothek in Guben, die offen genug für dieses Tabuthema war, vor dem viele andere die Augen verschließen. Vielen Dank Frau Wally, dass Sie an mich und meine Geschichte geglaubt haben!

Auch ein HERZLICHES DANKESCHÖN an alle Zuhörer:innen! Ihr wart meine ersten Lesungsteilnehmer.

Und wenn du möchtest, dass ich eine Lesung in deiner Nähe halte, lass‘ es mich unten in den Kommentaren wissen oder kontaktiere mich gern direkt unter hallo@sternenkind-mama.de oder via Facebook oder Instagram.

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