Der Verlust eines geliebten Menschen ist immer schwer. Beim eigenen Kind noch schwerer, da die Sterbe-Reihenfolge nicht eingehalten wird. Dennoch laufen die Phasen der Trauer nach Verlust eines Kindes genauso ab wie nach dem Tod eines anderen Familienmitgliedes, Freundes oder gar Haustiers.
Deine eigene Verbindung zum Verstorbenen ist entscheidend darüber, wie intensiv du trauerst und wie lange die jeweiligen Trauerphasen bei dir andauern. Je mehr du die/den Verstorbenen geliebt hast, desto schmerzlicher ist es. Letztlich ist Trauer ein Ausdruck von Verbundenheit und Liebe, der ewigen und bedingungslosen Liebe.
Trauer läuft in Phasen ab
Während des Trauerprozesses durchläufst du verschiedene Phasen der Trauer – vom Schock bis zu Annahme. Um dir zu erklären, was in jeder dieser Phasen passiert, und dir Tipps zu geben, wie du damit umgehen kannst, stütze ich mich auf das Trauer-Modell der Schweizer Psychologin Verena Kast.
Dieses Stufen-Model bildet die Grundlage, um die eigene Trauer zu verstehen. Denn Trauern ist ein langer, schmerzlicher Prozess, den du durchstehen musst, um zurück in ein glückliches Leben zu finden.
Und obwohl Trauer in Phasen abläuft, hat sie keinen festgelegten Ablaufplan oder gar Zeitplan. Jeder Mensch geht mit ihr auf seine ganz eigene Weise um. Manchmal können zwei oder gar drei Phasen parallel laufen. Wichtig ist jedoch, dass, wenn du in der ersten Phase beginnst, du irgendwann auch in Phase vier ankommst.
Damit du verstehst, was ich meine und du in dieser schweren Zeit besser damit umgehen kannst, zeige ich dir, wie die einzelnen Trauerphasen aussehen, wie du dich als Betroffene:r fühlst und was du als Nicht-Betroffene:r in jeder Phase tun kannst.
1. Phase der Trauer: Schock und Unglaube
Stirbt ein geliebter Mensch oder Haustier, leiten Schock und Unglaube die erste Trauerphase ein. Auch wenn der Tod nicht unerwartet kam. Es ist der verzweifelte Versuch, die Wirklichkeit nicht wahrzunehmen. Und das ist ganz normal. Es ist die natürliche Reaktion des Menschen, den Tod nicht glauben zu können. Mir erging es ganz genauso.
Mögliche Reaktionen in dieser Trauerphase
Wie du als Trauernde:r auf diese emotionale Erschütterung, die dir den Boden unter den Füßen weggezogen hat, reagierst, ist unterschiedlich. Einige Menschen verlieren ihre Fassung und brechen zusammen, andere werden ganz leise, sind erstarrt und vollkommen apathisch. Körperliche Reaktionen wie Erbrechen und Übelkeit, erhöhter Plusschlag, Hitzewallungen oder motorische Unruhe sind außerdem möglich.
Gefühle und Gedanken in dieser Trauerphase
Die Welt erscheint dir als Trauernde:r dunkel und trostlos. Du möchtest fliehen, kannst jedoch an nichts anderes als an den Tod des geliebten Menschen denken. Sich hilflos und alleingelassen zu fühlen, ist in dieser Anfangsphase daher normal.
So lange dauert die erste Trauerphase
Diese erste Phase der Trauer kann einige Stunden oder sogar mehrere Wochen, vor allem wenn der Tod unvorhergesehen kam, andauern.
So kannst du als Angehörige:r und Freund:in in der 1. Phase der Trauer helfen:
- Trauernde:n nicht allein lassen
- Alle Gefühle des:r Trauernden zulassen und aushalten
- Die eigenen Gefühle beschreiben, wenn es hilfreich erscheint
- Trauernde:n nicht bevormunden
- Mitgefühl vermitteln
- Trauende:n unterstützen, wenn sie überfordern scheinen (Hilfestellungen bei ersten Regelungen bezüglich des Todesfalls)
- Einkaufen gehen, kochen, im Haushalt helfen
- Bei Sternenkindern besonders wichtig: Motivieren, Erinnerungen zu schaffen (Hand- und Fußabdrücke, Haarsträhne, Fotos)
2. Phase der Trauer: Wut und Verzweiflung
Wenn du die zweite Phase der Trauer erreichst, fühlst du dich wie ein Dauerfahrgast in einer Achterbahn. Deine emotionalen Auf- und Abstiege können extrem sein und dir das Gefühl geben, die Kontrolle zu verlieren. In dieser Phase der Trauer ist es normal, Wut und Verzweiflung, Zorn und Angst, aber auch Freude und Schuldgefühle zu empfinden.
Wut gegen sich selbst oder den Verstorbenen
Wut ist eine ganz natürliche Reaktion auf Verlust. Du kannst wütend sein auf die Person, die du verloren hast, auf Gott, auf das Leben oder sogar auf dich selbst. Es ist in Ordnung, deine Wut zu zeigen. Schreie, weine oder zerbrich‘ Bleistifte, wenn es sein muss.
Die Wut kann aber auch in unproduktive Verhaltensweisen umgelenkt werden, z.B. indem du andere Menschen verletzt oder dir selbst schadest. Wenn du merkst, dass deine Wut in eine ungesunde Richtung tendiert, solltest du dir unbedingt Hilfe suchen.
Gefühle der Verzweiflung können gefährlich sein
Verzweiflung ist ebenfalls eine vollkommen normale Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen. Viele Menschen in dieser Phase der Trauer fühlen sich hoffnungslos und allein gelassen. Oft versuchen sie in dieser Phase deshalb Selbstmord oder andere riskante Verhaltensweisen. Wenn du das Gefühl hast, nicht mehr weitermachen zu können, solltest du dir professionelle Hilfe suchen.
Schuldgefühle in dieser Phase der Trauer
Die Folge der Gefühlsausbrüche sind oftmals Schuldgefühle. Es ist möglich, dass du dich schuldig fühlst, weil du weiterleben darfst, während dein geliebter Mensch oder Haustier gehen musste.
Auch wenn diese und alle anderen Gefühle schmerzhaft sind, sind sie wichtig für die Bewältigung deiner Trauer. Sie helfen dir beim Begreifen des Schicksals und letztlich bei der Verarbeitung des Geschehenen. Falls du dennoch im Trauerprozess stecken bleibst, könnte dir eventuell Hypnose bei der Trauerbewältigung helfen.
Fakt ist: Du solltest die Trauer niemals verdrängen, sonst führen sie im schlimmsten Fall zu Depressionen.
So lange dauert die zweite Trauerphase
Die Dauer der zweiten Trauerphase lässt sich nur schwer abschätzen und hängt stark von deiner Beziehung zur:m Verstorbenen ab. Daher kann diese Trauerstufe einige Wochen oder auch mehrere Monate dauern. In manchen Fällen sogar Jahre.
So kannst du als Angehörige:r und Freund:in in der 2. Phase der Trauer helfen:
- Gefühlsausbrüche zulassen und aushalten (sie sind heilsam)
- Nicht von der Trauer ablenken (sie ist Teil des Verarbeitungsprozesses)
- Gedanken und Gefühle aussprechen lassen und nicht bewerten
- Sich gemeinsam mit der:m Trauernden an die/den Verstorbenen erinnern
- Zuhören!
- Anregungen geben, Trauer umzuwandeln (malen, Tagebuch schreiben, spazieren gehen, meditieren)
3. Phase der Trauer: Suche nach Antworten
In dieser Phase der Trauer befindest du dich noch immer in einem Zustand der Verwirrung. Du bist jedoch bereit, dich mit den Tatsachen auseinanderzusetzen und nach Antworten zu suchen.
Das Verlorene suchen
Verlierst du etwas, suchst du automatisch danach. So auch in der Trauer um einen verlorenen Menschen oder Tier. Du suchst in den Gesichtszügen anderer nach Ähnlichkeiten zur:m Verstorbenen. Du sucht gemeinsame Orte auf oder gehst dem gemeinsamen Hobby nach. Nur um ihr:m nahe zu sein.
Wunderschön und schmerzhaft zugleich
An dem gemeinsam Erlebten festhalten, sich daran erinnern und danach festzustellen, dass es nie wieder geschehen wird, ist schmerzhaft. Gleichzeitig erkennst du, wie viele schöne Momente ihr gemeinsam hattet.
Wie soll es weitergehen?
Diese intensiven Begegnungen, die du beim Suchen, Finden und wieder Trennens spürst, lassen dich begreifen, dass dein Leben ohne die/den Verstorbene:n weitergeht. Du wirst früher oder später innerlich eine Entscheidung darüber treffen, ob du entweder zurück ins Leben finden möchtest oder in deiner Trauer verharren bleibst.
Ist die Verzweiflung zu tief und die Dunkelheit, in der du feststeckt, zu mächtig, treten nicht selten suizidale Gedanken in dieser Stufe der Trauer auf.
Unterstützung von außen
Deswegen ist es wichtig, dass du in dieser Stufe der Trauer Unterstützung von außen erhältst. Vielleicht findest du Trost in der Religion oder suchst Hilfe bei deiner Familie oder Freunden. Es ist essenziell, dass du in dieser schwierigen Zeit nicht allein gelassen wirst und dass du Menschen hast, an die du dich wenden kannst. Bitte um Hilfe, wenn du kannst.
So lange dauert die dritte Trauerphase
Diese Phase der Trauer lässt sich, ähnlich wie Phase zwei, äußerst schwer einschätzen. Ein paar Wochen sind hier genauso erdenklich wie mehrere Jahre. Oftmals, so ging es mir jedenfalls, pendelte ich mehrere Monate zwischen der zweiten und dritten Phase.
So kannst du als Angehörige:r und Freund:in in der 3. Phase der Trauer helfen:
- Zuhören, auch wenn es immer dieselben Geschichten sind
- Zeit geben
- Das Suchen in allen Formen akzeptieren und nicht bewerten
- Nicht drängen, den Tod doch „endlich“ zu akzeptieren
- Gefühle ernst nehmen und selbst Fantasien zulassen (sie sind alle Teil der Trauer)
- Bei ersten Anzeichen des „Nach-vorne-Blickens“ unterstützen
- Bei Äußerungen zu Suizidgedanken eng begleiten
4. Phase der Trauer: Annahme und Neuorientierung
Nach dem Schock der ersten Phase und dem Verarbeiten der Trauer in der zweiten und dritten Phase folgt die vierte Phase: Annahme und Neuorientierung. In dieser Phase beginnst du, dich mit deiner neuen Realität auseinanderzusetzen und dich neu zu orientieren. Du wirst lernen, wie du ohne den verlorenen Menschen oder das Tier weiterleben kannst, und wirst neue Wege finden, dein Leben zu leben.
Trauer annehmen
Du bist in der Lage, deine Trauer anzunehmen und sie als Teil deines Lebens zu akzeptieren. Du lernst, mit deinem Schmerz zu leben und ihn als Teil deiner Erinnerungen an die geliebte Person zu betrachten. Du fängst an, dich auf die schönen Erinnerungen zu konzentrieren und dich wieder auf die Zukunft zu freuen.
Neuorientierung mit der:m Verstorbenen im Herzen
Du sollst den geliebten Menschen oder das Tier nämlich nicht vergessen. Auch wenn das viele Menschen denken oder gar sagen. Lass‘ die Vergangenheit los und orientiere dich neu. Dabei darf die/der Verstorbene gern seinen eigenen Platz erhalten. Sie/Er bleibt Teil deines Lebens und lebt in deinen Erinnerungen weiter.
Der innere Frieden
Sobald du diese Art neue Verbindung zur:m Verstorbenen geschaffen hast, kehrt dein innerer Frieden wieder ein. Deine Seele kommt zur Ruhe, auch wenn dein Leben und vor allem deine Einstellung zum Leben geändert haben sollten. Der Tod hinterlässt Spuren, dennoch kannst, darfst und sollst du neue Pläne für dein eigenes Leben schmieden.
So kannst du als Angehörige:r und Freund:in in der 4. Phase der Trauer helfen:
- Akzeptieren, dass man nicht mehr (sooft) gebraucht wird
- Wege finden, die Trauerbegleitung achtsam zu beenden
- Für Rückfälle ansprechbar zu bleiben
Fazit
Der Tod gehört zum Leben dazu. Trauern ist also etwas Alltägliches. Daher sollten uns die vier Trauerphasen vertraut sein. Dennoch fällt es schwer, mit dem Verlust eines geliebten Menschen oder Tieres fertigzuwerden. Schließlich ist die Verbindung zur:m Verstorbenen jedes Mal eine andere.
Ein Kind zu verlieren, das ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Da klingen gutgemeinte Ratschläge wie „Du musst die Vergangenheit hinter dir lassen“ oder „Du musst positiv in die Zukunft blicken“ gerade kurz nach dem Tod des Kindes wie Hohn. Mich machten diese Sätze unglaublich wütend. Aber mit der Zeit lernte ich, dass genau diese Einstellung meine einzige Chance ist, wieder glücklich zu werden. Ohne Zuversicht geht es nicht voran!
Auszug aus meinen Buch „Eine Handvoll Sonnenschein“
Ich hoffe, mein Beitrag hilft dir, deine eigene Trauer zu bewältigen oder die einer:s Trauernden zu begleiten. Über ein kurzes Feedback in den Kommentare freue ich mich sehr.