Du betrachtest gerade Trauer zur Weihnachtszeit: Emotionale Herausforderungen und 9 Tipps für die Festtage

Trauer zur Weihnachtszeit: Emotionale Herausforderungen und 9 Tipps für die Festtage

Frohe Weihnachten trotz Trauer – geht das?

Die Weihnachtszeit ist für viele eine Zeit der Besinnlichkeit, Freude und Gemeinschaft. Doch wenn du einen geliebten Menschen, vielleicht sogar dein Kind, verloren hast, kann diese festliche Stimmung schmerzhaft sein.

Während die Welt um dich herum feiert, wächst möglicherweise in dir das Gefühl von Einsamkeit. Dein Verlust lässt die Weihnachtsbräuche, die einst schön waren, nun erdrückend erscheinen.

In diesem Artikel möchte ich dir sowohl emotionale Unterstützung als auch praktische Tipps geben, die dir helfen können, die Festtage nach deinen eigenen Bedürfnissen zu gestalten. Schließlich darfst du dir erlauben, die Weihnachtszeit so zu erleben, wie es sich für dich richtig anfühlt – ob das bedeutet, dich zurückzuziehen, neue Rituale zu schaffen oder einfach Momente der Ruhe zu finden.

Finde im Folgenden Wege, wie du deine Trauer in dieser besonderen Zeit auf deine Art annehmen und bewältigen kannst.

Emotionale Herausforderungen der Weihnachtszeit

Die Weihnachtszeit verstärkt oft die Gefühle, die ohnehin in uns schlummern. Wenn du trauerst, können also die festlichen Feiertage besonders schwer werden. Es ist, als ob der Verlust noch präsenter wird, die Leere sich noch größer anfühlt. Die Erinnerungen an frühere gemeinsame Weihnachten werden wieder lebendiger, die geplatzten Zukunftsvorstellungen schmerzen wieder mehr.

Das erste Weihnachten ohne meinen Sohn war tatsächlich ganz furchtbar. Ich hatte mir alles so schön vorgestellt: das erste Bild auf dem Schoß des Weihnachtsmanns, ein Geschenk, das größer sein sollte als er selbst, sogar eine Weihnachtsmütze mit weißer Bommel hatte ich gekauft. Doch diese Wünsche haben sich nie erfüllt. Mein Sohn starb im Alter von 5 Tagen an den Folgen einer komplizierten Geburt.

Je mehr man den Verstorbenen geliebt hat, desto mehr schmerzt die Trauer. Und da Weihnachten das Fest der Liebe ist, schmerzt der Verlust in dieser Zeit am meisten. Da kommt einem die vier-Wochen-lange Besinnlichkeit in der Adventszeit, in der sich die Vorfreude auf Weihnachten stetig steigert, wie ein Spießrutenlauf vor, der im „fröhlichen Weihnachtsfest“ gipfelt.

Deine Trauergefühle in der Weihnachtszeit verstehen

Jeder Mensch trauert und fühlt in unterschiedlichen Situationen individuell. So fühlen einige Trauernde Dankbarkeit und Freude. Nach frischen Verlusten erleben jedoch die meisten eine Mischung aus Sehnsucht, Einsamkeit und sogar Wut oder Schuld.

Es ist normal, wenn widersprüchliche Gefühle auftauchen. Zu wissen, dass andere feiern, während du mit deiner Trauer kämpfst, kann isolierend wirken. Verurteile dich bitte nicht dafür, wie du dich fühlst. Erlaube dir stattdessen, deine Emotionen anzunehmen, ohne dich unter Druck zu setzen und möglichen Erwartungen anderer gerecht zu werden.

Den Verstorbenen in die Festtage einbeziehen

Für viele Trauernde kann es tröstlich sein, die verstorbene Person in die Feiertage einzubeziehen. Das können kleine, symbolische Gesten sein, wie z.B.:

  • eine besonderen Kerze anzünden
  • das Bild des Verstorbenen auf den leeren Platz stellen
  • einen Brief an die geliebte Person schreiben

Solche Rituale schaffen Raum für die Trauer um den Verstorbenen und erinnern daran, dass er/sie immer ein Teil von dir bleibt.

Der Balanceakt zwischen Nähe und Rückzug

Weihnachten bringt oft den Wunsch nach Nähe mit sich – doch vielleicht merkst du, dass du diese Nähe an den Feiertagen nur schwer ertragen kannst. Jeder Mensch geht eben anders mit der Trauer um.

Erlaube dir, dich zurückzuziehen, wenn dir danach ist. Scheue dich aber auch nicht, Trost bei Menschen zu suchen, die dir guttun. Vielleicht kannst du dir kleine, stimmige Momente schaffen, in denen du dich sicher und geborgen fühlst, trotz der Trauer.

9 Tipps für den Umgang mit Trauer an Weihnachten

Neben den emotionalen Herausforderungen bringt die Weihnachtszeit oftmals auch ganz praktische Fragen mit sich:

  • Wie soll ich mich in festlichen Momenten verhalten, wenn mir nicht nach Feiern zumute ist?
  • Wie gehe ich mit Familientraditionen um, die ohne die geliebte Person nicht mehr dieselbe Bedeutung haben?
  • Lenkt mich das Zusammensein mit Familie und Freunde zu sehr von meiner Trauer ab oder wird sie dadurch noch schlimmer? Wie mache ich dann?

Hier findest du einige Anregungen, die dir helfen können, die Festtage so zu gestalten, dass sie deiner Trauer Raum geben und gleichzeitig etwas Erleichterung schaffen.

1. Alte Traditionen anpassen

Wenn dir vertraute Traditionen wichtig sind, sich nach dem Verlust jedoch nicht mehr stimmig anfühlen, kann es helfen, sie behutsam zu verändern. Vielleicht auch jedes Jahr ein bisschen, sodass sie sich deiner Trauer anpassen können.

Wenn es also unbedingt die Weihnachtsgeschichte am heiligen Abend sein soll, kürze sie, wenn nötig, oder integriere den/die Verstorbene in die Erzählung.

2. Neue Rituale für Weihnachten schaffen

Wenn dir alte Rituale sehr schwerfallen, überlege, wie du sie umgestalten kannst. Zum Beispiel könnte ein gemeinsames Essen um ein weiteres Ritual ergänzt werden, bei dem der/dem Verstorbenen gedacht wird – bspw. durch das Anzünden einer Kerze vor dem Essen oder das Teilen einer besonderen Erinnerung.

Alternativ könntest du auch komplett neue Rituale einführen, die dir selbst Trost spenden und einen persönlichen Bezug zur verstorbenen Person herstellen. So kann deine Trauer vor allem in der Weihnachtszeit der Anstoß für eine Veränderung oder einen Neubeginn sein! Genau so wie es 1918 bei Familie Bonhoeffer war:

„An diesem Weihnachtstag sagte unsere Mutter: ‚Wir wollen nachher hinübergehen.‘ Das Hinübergehen heißt, wir gehen alle auf den Friedhof. Mama und Papa sind vorher noch einmal ins Wohnzimmer gegangen und haben einen Tannenzweig vom Baum geschnitten mit einem Licht und Lametta und nehmen diesen Weihnachtszweig für das Grab von Walter mit. Auch in den folgenden Jahren ist es zu Weihnachten bei diesem Friedhofsgang geblieben.“

schrieb Sabine Leibholz-Bonhoeffer (Schwester des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer)

Auch ich schneide jedes Jahr einen Tannenzweig vom Familien-Weihnachtsbaum ab und bringe es zusammen mit etwas Deko an das Grab meines Sohnes. Die Lücke im Baum ist während der Vorweihnachtszeit, an den Feiertagen und auch noch an Silvester sichtbar. Dominik gehört zu mir und meiner Familie, selbst wenn er nicht mehr bei uns ist.

Grab meines Sternenkindes am Weihnachtstag

Das sind weitere mögliche Weihnachtsrituale nach einem Verlust:

  • Schreibe einen Brief an den/die Verstorbene! Wann immer dich die Trauer an Weihnachten überkommt, ziehe dich zurück und schreibe dir alles von der Seele. Schütte all deine Gedanken aus, so als ob du es der verstorbenen Person erzählen würdest. Danach wirst du besser fühlen. Mir spendete das in den ersten Trauerjahren viel Trost.

  • Plane einen Besuch am Grab am Weihnachtstag! Ob du nach dem Krippenspiel in der Kirche ans Grab gehst oder die Route des Spaziergangs nach dem Festessen leicht abänderst, ob du allein oder mit der ganzen Familie gehst, das hängt davon ab, wie du dich dabei fühlst. Probiere es aus und schaue, ob dir dieser Besuch guttut. Wenn ja, wiederhole es jedes Jahr. Nimm gern auch den Brief, falls du einen geschrieben hast, mit und eine Kerze.

  • Decke einen Platz am Tisch ein! Lass‘ einen Platz am Weihnachtstisch frei und stell‘ dort ein Bild des/der Verstorbenen, eine bedeutungsvolle Kerze oder ein Erinnerungsstück an ihn/ihr auf. So ist er/sie immer sichtbar und dir und deiner Familie fällt mit der Zeit das Reden über die verstorbene Person leichter.
  • Gestalte eine eigene Kerze an! In der Weihnachtszeit flackern viele Kerzen. Wie wäre es, wenn du eine eigene Kerze bemalst, dekorierst z.B. den Namen, Spitznamen und/oder die Geburtsdaten der verstorbenen Person darauf schreibst? Stell‘ die Kerze an Weihnachten in die Mitte des Tischs und fühle die Nähe zu ihm/ihr.
Andenken an mein Sternenkind
  • Gehe zu einem Weihnachtsgottesdienst für Trauernde! Einige Organisationen und Kirchengemeinden bieten selbst an Heiligabend Gottesdienste für Hinterbliebene an, die der immer währenden Besinnlichkeit entfliehen wollen.

„Es kamen Menschen, die sich vor ungebrochener Fröhlichkeit fürchteten. Die wollten kein Weihnachten mit Lametta und Krippenspiel. Die wollten weinen dürfen.“

sagte Isolde Böhm vom Kirchenkreis Tempelhof in Berlin

3. Mit sozialen Erwartungen umgehen

Oft spüren Trauernde den Druck, anderen zuliebe am Weihnachtsgeschehen teilzunehmen. Überlege dir im Vorfeld, welche sozialen Verpflichtungen dir guttun könnten und wo du deine eigenen Grenzen setzen möchtest.

Es ist völlig in Ordnung, freundlich „Nein“ zu sagen und zu entscheiden, wie viel oder wenig du dieses Jahr teilnehmen willst. Möglicherweise möchtest du bei bestimmten Veranstaltungen nur kurz dabei sein oder dir eine „Fluchtmöglichkeit“ offenlassen, falls du dich zurückziehen magst.

4. Offen über die Trauergefühle an den Festtagen reden

Wenn du offen über deinen Verlust reden kannst und reden möchtest, plane genug Zeit für Trauergespräche ein. Mache am besten im Voraus eine feste Zeit aus, wann du mit deiner Familie oder Freunden über den Tod und die Trauerbewältigung reden willst. So plant niemand etwas anderes.

Überlege dir außerdem vorher, was du unbedingt sagen willst. Da nicht jeder über seine Trauer reden will und die Trauer anderer ertragen kann, mach dir im Vorfeld ein paar Notizen über die Dinge, die du unbedingt ansprechen willst, und starte damit. Nicht, dass du die Gelegenheit dazu verpasst.

5. Einen sicheren Rückzugsort schaffen

Plane Zeiten der Ruhe und Erholung ein, in denen du dich vom Weihnachtstrubel zurückziehen kannst. Ob ein Spaziergang, eine kleine Auszeit mit einem guten Buch oder einfach ein ruhiger Moment bei einer Tasse Tee – gönne dir diese Pausen bewusst.

Wenn du dich überfordert fühlst, nimm dir diese Momente, um durchzuatmen und Kraft zu tanken. Solche Pausen helfen dir, auch die emotional herausfordernden Momente besser zu bewältigen.

6. Trost bei vertrauten Menschen suchen

Besonders in der Weihnachtszeit ist es wohltuend, sich Menschen anzuvertrauen, die dir wirklich nahe stehen. Sprich offen über deine Gefühle und scheue dich nicht, um Unterstützung zu bitten.

Vielleicht gibt es Menschen in deinem Umfeld, die dir zuhören oder einfach in stiller Begleitung bei dir sind. Ein kleines Treffen mit einer vertrauten Person kann dir das Gefühl geben, in deiner Trauer nicht allein zu sein.

7. Alternativen für Ablenkung und neue Erlebnisse

Wenn dir danach ist, kannst du die Weihnachtstage auch nutzen, um etwas ganz anderes zu tun, was dir Ablenkung verschafft. Das könnte eine kleine Reise sein, ein Tag in der Natur oder ein Besuch an einem besonderen Ort, der dir guttut.

Solche neuen Erlebnisse können dir dabei helfen, etwas Leichtigkeit in die Feiertage zu bringen und den Schmerz kurzzeitig zu lindern, ohne die Trauer zu verdrängen.

8. Hilfe annehmen

Viele Menschen fühlen sich mit ihrer Trauer einsam. Doch niemand muss seine Trauer allein bewältigen, schon gar nicht zur Weihnachtszeit. Wenn ein/e Freund/in anruft, um dir Frohe Weihnachten zu wünschen, und fragt, wie es dir geht, sei ehrlich. Jede/r hat Verständnis dafür, dass Trauer wehtut.

Oder wenn die Nachbarin einen Teller mit einem Stück der Weihnachtsgans vorbeibringt, nimm ihn gern an. Trauern ist unglaublich kräftezehrend. An essen (zubereiten) ist da oft, gerade in ersten Zeit, nicht zu denken.

9. Die Telefonseelsorge anrufen

Wenn dich die Trauer an Weihnachten überfordert und du niemanden zum Reden hast, kontaktiere die Telefonseelsorge. Hier haben sie ein offenes Ohr für dich, ohne dass du deine Identität preisgeben musst. Hier kannst du dir vollkommen anonym alles von der Seele reden, was dich in diesem Moment übermannt.

Abschließende Gedanken zur Trauer an Weihnachten

Weihnachten in Trauer zu erleben, kann eine besonders herausfordernde Zeit sein. Eine Zeit, in der alte Erinnerungen aufleben, die schmerzhaft sein können, und die Erwartungen an Freude und Geselligkeit manchmal wie eine Last wirken.

Doch du darfst den Weg durch diese Tage so gestalten, wie es für dich richtig ist. Ob du den Verlust in die Festtage einbinden oder Weihnachten in diesem Jahr ganz anders verbringen möchtest – erlaube dir selbst, den Weg zu gehen, der dir Trost und Entlastung schenkt.

Vergiss nicht, dass es völlig in Ordnung ist, Pausen einzulegen, Hilfe anzunehmen oder auch auf die gewohnten Rituale zu verzichten. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ im Umgang mit Trauer, schon gar nicht in einer Zeit, die besonders emotionale Momente in sich birgt.

All deine Gefühle sind berechtigt, und es ist dein gutes Recht, Weihnachten nach deinen Bedürfnissen zu erleben.

Falls die Trauer dennoch zu stark wird oder du das Gefühl hast, die Belastung allein nicht tragen zu können, zögere nicht, dich an vertraute Menschen oder professionelle Hilfe zu wenden. Manchmal können Gespräche mit einer außenstehenden Person oder einer Trauerbegleitung besonders wohltuend und klärend wirken.

Am Ende ist Weihnachten ein Fest der Liebe – und auch, wenn es anders ist als zuvor, ist die Liebe zu dem verlorenen Menschen immer ein Teil von dir. In dieser Verbindung findest du vielleicht einen kleinen Lichtblick, der dir durch diese Tage hilft.

Ich hoffe, meine Gedanken zur Trauerbewältigung in der Weihnachtszeit haben dir geholfen. Kannst du dir vorstellen, eines der Rituale oder einen Tipp zum Umgang mit deiner Trauer dieses Jahr auszuprobieren? Vielleicht hast du längst ein eigenes Ritual eingeführt. Verrate es mir gern unten in den Kommentaren.

SAG ES WEITER:

Schreibe einen Kommentar