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Obduktion bei Sternenkindern: Warum ich mich dagegen entschieden habe

Stirbt ein Kind, steht die Welt still. Muss man in dieser akuten Trauerphase über eine Obduktion seines Sternenkindes entscheiden, erscheint das vielen Menschen als gnadenlos oder unbarmherzig.

Zurecht!? Schließlich ist dies keine Entscheidung, die man eben mal so fällt. Oder doch?

Die meisten Sterneneltern, mit denen ich über die Obduktion ihrer verstorbenen Kinder gesprochen habe, fällten ihre Entscheidung ähnlich schnell und intuitiv wie mein Mann und ich. Aber es gibt auch Paare, die sich Zeit für diese Antwort nehmen.

Um den Druck an dieser Stelle schon herauszunehmen: Es gibt keine universell richtige Entscheidung. Es ist nur wichtig, dass die Eltern den Weg wählen, der sich für sie in dieser Extremsituation richtig anfühlt.

Für meinen Mann und mich war das eine Entscheidung gegen die Obduktion. Tanja Kleinheinz und ihr Mann entschieden sich hingegen klar dafür.

Wir sind vier Erwachsene, die ihre Kinder gehen lassen mussten, und wir alle hatten unterschiedliche Blickwinkel.

Die Blickwinkel-Reihe
Aus dieser und ähnlichen Situationen, die Tanja in Gesprächen mit Sternenkind-Eltern erlebte, schuf sie die Blickwinkel-Reihe. Tanja lädt jeden dazu ein, seinen eigenen Blickwinkel zu teilen.

Auf sternenkinder.org/blickwinkel findest du bestehende Themen. Hast du eine eigene Blickwinkelidee, kontaktiere Tanja gern unter tanja@sternenkinder.org.

Obduktion: eine schwierige Entscheidung nach dem Verlust eines Kindes

Gerade in den ersten Tagen und Wochen nach dem Verlust des eigenen, früh verstorbenen Kindes gibt es zahlreiche schwierige Entscheidungen zu treffen, unter anderem die der Obduktion des Sternenkindes.

Soll ich es zulassen oder ablehnen?

Für viele Eltern, wie auch für uns, stellte sich diese Frage nicht nur rational, sondern auch tief aus dem Herzen heraus. Beide Perspektiven waren für uns von Anfang an eindeutig.

Wir hatten unsere Gründe, weil sie zu unserer Situation passten. Damit prägte die klare Antwort „NEIN“ unseren persönlichen Umgang mit weiteren aufkommenden Fragen und unseren Trauerprozess.

Unsere Entscheidung ist jedoch nicht die richtige für alle Paare. Unter anderen Umständen ist ein klares „JA“ genauso richtig, wie es für uns unser „NEIN“ war. Das ist sehr individuell.

Dennoch gibt es viele Paare, die sich nicht so schnell und eindeutig entscheiden können. Oftmals fehlen ihnen Antworten auf allgemeine Fragen, über die man vorher nicht nachdachte und es in der Akutsituation plötzlich tun muss.

Aus diesem Grund liste ich nachstehend einige allgemeine Fragen und Antworten in der Infobox auf:

INFOBOX: Fragen zur
Obduktion bei Sternenkindern

Im Folgenden findest du Fragen, die sich Sternenkind-Eltern nach dem Tod ihres Kindes hinsichtlich einer Obduktion stellen können.

Was ist eine Obduktion?

Eine Obduktion (auch Autopsie) ist eine gründliche Untersuchung des früh verstorbenen Kindes, ähnlich wie eine Operation. Dabei werden das Äußere und die inneren Organe des toten Kindes untersucht.

Die Untersuchung wird von speziell ausgebildeten Ärzt:innen (Patholog:innen) durchgeführt und umfasst, je nach Fall, alle oder einzelne Organe sowie die Plazenta (Mutterkuchen) und manchmal auch die Nabelschnur.

Was ist die histologische Untersuchung?

Bei einer histologischen Untersuchung wird Gewebe, das nach einer Fehlgeburt (meist bis zur bis zur Schwangerschaftswoche) entnommen wurde, unter dem Mikroskop untersucht. So können kindliche und plazentare Gewebeanteile auf mögliche Ursachen der Fehlgeburt überprüft werden.

Welche Vorteile hat eine Obduktion von verstorbenen Kindern?

Eine Obduktion von Sternenkindern kann oft, aber nicht immer, Klarheit über die Todesursache und mögliche Krankheiten bringen. Dieses Wissen kann bei der Trauerbewältigung helfen.

Außerdem können Hinweise, z.B. auf Erbkrankheiten, für die Familienplanung und zukünftige Schwangerschaften wichtig sein.

Was muss ich tun, wenn ich mein Sternenkind obduzieren lassen möchte?

Du selbst musst nur den Wunsch äußern. Oftmals wirst du im Krankenhaus danach gefragt. Der behandelnde Ärzt/Ärztin leitet deinen Wunsch dann an das Pathologische Institut weiter, das schließlich die Obduktion durchführen wird.

Welche Kosten entstehen durch die Obduktion meines verstorbenen Kindes für mich und die Krankenkassen?

In der Regel keine. Die Kosten werden meist von der Klinik übernommen. Wenn dir das Kopfzerbrechen bereitet, frage direkt in deiner Klinik nach.

Wie erfahre ich als betroffenes Elternteil das Ergebnis?

Nach den Untersuchungen wird ein schriftlicher Bericht erstellt. Es kann einige Wochen dauern, bis alles abgeschlossen ist. Dieser Bericht wird mit den behandelnden Ärzt:innen besprochen und der Krankengeschichte hinzugefügt.

Auf Wunsch kann der Bericht auch an die Frauen- oder Hausärztin/den Frauen- oder Hausarzt gesendet werden.

Kann ich mein Sternenkind nach der Kühlung oder vor der Sammelbestattung noch einmal sehen?

In Ausnahmefällen, ja – z.B. wenn keine Verabschiedung im Krankenhaus stattfinden konnte. Doch auch diese Frage ist sehr individuell und sollte direkt im Krankenhaus gestellt werden.

Bitte beachte, dass die Informationen aus der Recherche öffentlicher Quellen wie St. Franziskus-Hospital Münster, Sternenkinder Westerwald und Mein Sternenkind stammen. Hier findest du zudem weitere Details zum Thema, wie z.B. wann die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird, was bei späten Fehlgeburten zu beachten ist und welche weiteren Fragen du als betroffenes Elternteil stellen kannst.

Warum eine Obduktion keine Heilung bringt

Nach dem Verlust des eigenen Kindes ist der Schmerz unbeschreiblich groß. In dieser Extremsituation stehen viele Eltern dann vor der Frage, ob eine Obduktion ihres Sternenkindes Klarheit oder sogar Linderung verschaffen könnte.

Für meinen Mann und mich war direkt klar, dass sie uns nicht das geben kann, wonach wir uns am meisten sehnen: unseren Sohn Dominik zurückholen.

Egal, welche Erkenntnisse dabei hätten gewonnen werden können, sie hätten nichts an der endgültigen Tatsache geändert, dass er tot ist und nie wiederkommt.

Eine Obduktion von Dominik hätte meinen Schmerz also nicht geheilt, ihn aber möglicherweise noch verstärkt, weil sie den Fokus auf medizinische Details gelenkt hätte. So habe ich mir stattdessen von Anfang an Raum für meine Trauer gegeben.

Bei meinen Fehlgeburten (alle 5 im ersten Trimester) habe ich übrigens ebenfalls keine Obduktion durchführen lassen. Damals wusste ich einfach nicht, dass das überhaupt möglich wäre. Eine Aufklärung erfolgte nicht.

Ethische Bedenken: Warum ich den Körper meines Sohnes nicht „öffnen“ ließ

Da wir nicht nur einmal mit der Obduktionsfrage konfrontiert wurden, konnten mein Mann und ich zwischendurch darüber reden und uns austauschen. So hatten wir die Möglichkeit, auch rational über diese bedeutsame Entscheidung nachzudenken.

Ethische Überlegungen spielten daher bei unserer Entscheidung ebenso eine zentrale Rolle: Während ich in der Vergangenheit oft bereit war, für die Wissenschaft meinen Körper oder den meiner lebenden Tochter für Studien bereitzustellen, war es etwas ganz anderes, den toten Körper meines Sohnes Dominik zu „öffnen“.

Der Gedanke daran fühlte sich falsch an. Er war bereits gestorben, und es schien mir nicht richtig, seinen kleinen Körper weiter zu verletzen – auch wenn eine Obduktion den Ärzten viele Fragen beantwortet hätte. Ein Kind, das trotz einer gerissenen Insertio Velamentosa lebend zur Welt kam, kommt eben nur ganz selten vor. Die Erfahrungswerte der Ärzte sind entsprechend von den (Obduktions-) Ergebnissen abhängig.

Doch auch wenn ich mir dessen vollkommen bewusst war, entschied ich, dass mein verstorbener Sohn das Recht hatte, als Ganzes in Frieden zu ruhen und unversehrt zu bleiben.

Einfluss der Trauer: Emotionale Überforderung direkt nach dem Tod

Nachdem mein Sohn Dominik starb, war ich emotional überwältigt und vollkommen überfordert. In dieser ersten Phase der Trauer befand ich mich in einem Zustand des Schocks und konnte kaum rationale Entscheidungen treffen. Dabei bin ich ein sehr rationaler Mensch.

Obwohl ich wusste, dass mein Sohn nicht mehr da war, fühlte es sich an, als könne er durch eine Obduktion verletzt werden und dass es ihm wehtut. Die Vorstellung, dass sein kleiner Körper aufgeschnitten wird, war für mich unerträglich.

Ich war emotional noch nicht bereit zu akzeptieren, dass er wirklich nicht mehr lebt. Dieser Gedanke trug ebenfalls stark zu meiner Ablehnung der Obduktion bei.

Der Wunsch nach Frieden für mein Sternenkind

Meinen Sohn in den Tod zu begleiten, war eine besonders intensive Zeit. Ich sah zu, wie sich sein Körper dabei veränderte. Als sein kleines Herz stehen blieb, ging ich emotional durch die Hölle. Ich wollte es nicht wahrhaben.

Dennoch bin ich seine Mutter und wollte nur das Beste für ihn. Und so war es mir wichtig, meinem Sohn in Frieden Lebewohl zu sagen und mich in Ruhe von ihm zu verabschieden. Mit dem Wissen, dass er so bleibt, wie er war.

Der Gedanke an eine Obduktion, die diesen Abschied verzögert oder gestört hätte, fühlte sich wie eine zusätzliche Belastung an, die ich mir nicht vorstellen konnte zu ertragen.

Ich wollte ihm nach all den Qualen und seinem unermüdlichen Überlebenskampf einen würdevollen, ungestörten Abschied ermöglichen, ohne den Eingriff in seinen Körper. Das hätte einfach nicht zu meinem Bedürfnis nach Frieden für ihn gepasst.

Intuition und der eigene Wert innerer Ruhe

Als ich die Frage zur Obduktion meines im Sterben liegenden Sohnes zu ersten Mal hörte, sagte mir meine Intuition blitzschnell „Nein“, noch bevor die Frage mein Gehirn erreichte. Es hatte also gar keine Chance darüber nachzudenken.

Und selbst als ich später die Vor- und Nachteile abwägte und wusste, dass rationale Gründe für eine Obduktion existierten, spürte ich tief in mir, dass es für meinen Sohn und mich nicht der richtige Weg war.

Manchmal geht es weniger um wissenschaftliche Antworten oder die Schuldfrage, sondern um das innere Gefühl von Frieden. Für mich war es nicht nur wichtiger, dass mein Sohn unversehrt ruhen durfte, ohne dass sein Körper erneut „gestört“ wurde, sondern diese Entscheidung brachte auch mir inneren Frieden. Keine medizinische Erkenntnis hätte mir das bieten können.

Fazit: Jede Entscheidung für oder gegen eine Obduktion seines Sternenkindes ist einzigartig

Reist ein Kind zu den Sternen, ist es eine äußerst individuelle Entscheidung, es obduzieren zu lassen oder nicht – vor allem wenn es aufgrund von Erkrankungen, Unfällen, Komplikationen während der Geburt ö.Ä. stirbt. Hier können sowohl die Eltern als auch die Wissenschaft durch eine Obduktion wertvolle Informationen gewinnen. Und solange noch ein Kinderwunsch besteht, entscheiden sich viele Eltern deshalb dafür.

Für mich stand hingegen das (irrationale) Wohlergehen meines Sohnes und eine für mich mögliche emotionale Zusatzbelastung im Vordergrund.

Eines darf man nicht vergessen: jeder Verlust ist einzigartig! Und so ist auch jede Entscheidung in dieser Situation einzigartig.

Am Ende gibt es daher keine pauschale Antwort darauf, ob eine Obduktion der richtige Weg ist oder nicht. Jedes Elternpaar und jede Familie muss für sich selbst entscheiden, womit sie besser in der akuten Trauerphase umgehen können.

Wichtig ist, dass jede Entscheidung von jedem respektiert wird! Letztlich geht es um den Umgang mit dem Verlust, dem Schmerz und dem Abschied seines geliebten Kindes.

Hast du dich auch gegen die Obduktion entschieden? Oder dafür?
Was waren deine Hauptgründe?

Oder stehst du jetzt gerade vor dieser Entscheidung? Dann hoffe ich, dass ich dir ein paar Impulse zum Nachdenken mitgeben konnte, die dir bei deiner Entscheidungsfindung helfen.

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