Blogs gibt es viele. Je beliebter ein Thema ist, desto mehr Menschen bloggen darüber. Ich hingegen führe seit Sommer 2022 einen Trauer-Blog und schreibe über Tod, Trauerbewältigung und Sternenkinder. Aus guten Gründen!
Doch diese Gründe sind nicht für alle Menschen offensichtlich. Hin und wieder werde ich nämlich gefragt:
„Warum schreibst du eigentlich über Trauer?“ (vor allem in DMs auf Instagram)
„Wäre es nicht schöner, über etwas Leichtes zu bloggen – Reisen, Kochen, irgendwas Fröhliches?“ (eher von Bekannten)
Wer mich kennt, weiß, dass ich Trauer gut durch Schreiben verarbeite. Mit meinem Sternenkind-Buch begann es an. Doch das war eben nur der Anfang.
Der Tod trifft uns alle. Irgendwann. Bis dahin werden wir jedoch einige Verluste im Familien- und Freundeskreis erleben. Es lohnt sich daher, vorbereitet zu sein, sich zu informieren und das Thema nicht als Tabu zu behandeln, sondern es in unserer Mitte willkommen zu heißen.
Genau deshalb schreibe ich darüber. Nicht, weil es für mich leicht ist – sondern weil es wichtig ist.
Hier nun 7 konkrete Gründe, warum ich über Trauer blogge:
1. Tabus aufbrechen
Tod und Trauer werden in unserer Gesellschaft immer noch zu oft verdrängt. Viele schweigen, weil sie Angst vor Gefühlen – ihren eigenen oder denen ihres Gegenübers – haben oder nicht wissen, was sie sagen sollen.
Doch genau dieses Schweigen ist die schlimmste Reaktion überhaupt. Schweigen macht einsam! Besonders inmitten einer Traube von Menschen.
Mit meinem Blog über Trauer, Tod und Sternenkinder möchte ich:
- die Einsamkeit, das Schweigen, die Stille durchbrechen
- den Tabuthemen ihren Platz in unserer Mitte geben
- Antworten geben und Verständnis zeigen für die Menschen, die selbst betroffen sind oder jemanden in ihrem Umfeld begleiten (möchten)
2. Raum für Gefühle schaffen
Trauer ist so viel mehr als nur „traurig sein“. Sie ist Wut, Schuld, Ohnmacht, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Leere aber auch Dankbarkeit, Hoffnung und vor allem Liebe.
Indem ich über Trauer schreibe, eröffne ich einen Raum, in dem jedes Gefühl Platz haben darf – ohne Wertung, ohne Scham.
In meinem Sternenkind-Buch „Eine Handvoll Sonnenschein“ stellte ich mir nach dem Tod meines Sohnes Dominik die Frage: „Wie schaffe ich es, wieder urteilen zu können, ohne zu verurteilen?„
Ich hatte Angst, dass meine Gefühle „falsch“ sind.
Ich hatte Angst, meine Toleranz zu verlieren.
Ich hatte Angst, nicht mehr neutral bleiben zu können.
Doch das Gegenteil trat ein.
Heute weiß ich, dass jedes Gefühl gut ist, solange man es wahrnimmt, akzeptiert und integriert.
Heute bin ich noch toleranter, frage nach, wenn ich eine Perspektive oder die beschriebene Gefühlslage meines Gegenübers nicht verstehe, und bin absoluter Fan der Blickwinkel-Reihe von Tanja Wirnitzer.
Jeder Mensch denkt, fühlt und nimmt unterschiedlich wahr. Das ist abhängig von der aktuellen Situation, den Triggern, den individuellen Erfahrungen, dem eigenen Umfeld, uvm. Vergleiche bringen daher nichts. Schon gar nicht im Trauerprozess. Also sollte sich jede:r den Raum für seine/ihre Gefühle nehmen, den er/sie braucht.
3. Erfahrungen teilen
Seit dem Tod meines Sohnes Dominik weiß ich, wie einsam Trauer machen kann. Dieses Gefühl verstehen nur diejenigen, die es selbst durchleben bzw. durchlebt haben. Dennoch trauen sich zu wenige Menschen, ihre Geschichten zu teilen.
Indem ich meine Erfahrungen und die anderer Betroffener oder Begleitender im Trauer-Blog teile, zeige ich anderen: Du bist nicht allein auf diesem Weg!
Allein das Lesen anderer Geschichten – mit ihren Gefühlen und Wegen der Trauerarbeit – hilft vielen, sich weniger einsam zu fühlen.
Möchtest du auch deine Trauererfahrungen auf meinem Blog teilen – in Form eines Interviews oder Gastbeitrag, als Betroffene:r oder Begleitende:r –, schicke mir gern eine E-Mail an hallo@sternenkind-mama.de.
4. Aufklärung leisten
Viele denken, Trauer dauere ein paar Wochen und dann sei es vorbei. Doch in Wahrheit begleitet sie uns ein Leben lang. Sie verändert sich, aber sie bleibt.
Mein Blog über Trauer, Tod und Sternenkinder soll über genau diese nischigen Themen aufklären, Missverständnisse abbauen und mehr Verständnis schaffen – für Trauernde und für ihr Umfeld.
Ich bin in diesem Themengebiet weder ausgebildet, noch habe ich Weiterbildungen absolviert. Alle Blogartikel basieren auf meiner eigenen Erfahrung, der anderer Betroffener und Recherchen – sowohl im Internet als auch aus Büchern.
Über Bücher, die mich nachhaltig beeindruckt oder mir besonders gut gefallen haben, schreibe ich auch Rezensionen. Immer in der Hoffnung, dass sie anderen Menschen genauso helfen, wie sie mir geholfen haben.
5. Verbindung schaffen
Als ich anfing über Trauer zu bloggen, trieben mich die Punkte 1-3 an. Ich wollte all meine Gedanken hinausbrüllen und sowohl anderen Trauernden als auch ihrem Umfeld zeigen, wie Trauer aussehen kann und wie man damit umgehen lernt. Dass ich damit Aufklärungsarbeit leiste, hat sich automatisch ergeben.
Über die Jahre sind aus diesen Blogartikeln so viele wundervolle Begegnungen entstanden:
- Betroffene, die mir ihre Geschichten erzählten
- Journalisten, die mich interviewten
- Begleitende, die mir von ihren Erfahrungen im Umgang mit verwaisten Eltern berichteten
- Menschen, die mich um eine Lesung baten
- Bloggerinnen, die mich motivierten, weiter über diese Tabuthemen zu bloggen
- Autorinnen, die mich baten, ihr Buch zu rezensieren
- Buchblogger:innen, die mir Feedback zu meinem Sternenkind-Buch gaben
- Leser:innen, die einfach DANKE sagen wollten
Ob jemand selbst ein Trauertagebuch führt, Postings auf Social Media über seine/ihre Gedanken veröffentlicht oder meinen Blog liest – Schreiben schafft Brücken. Es verbindet, gibt Halt und schenkt Hoffnung.
6. Hoffnung weitergeben
Trauer kann richtig dunkel sein, vor allem in den ersten Tagen, Wochen, Monaten nach dem Verlust. Doch früher oder später gibt es Lichtblicke und Farbklekse. Erst einen, dann mehrere hintereinander! Kleine Momente, die zeigen: Es geht weiter, Schritt für Schritt.
Im besten Fall werden die dunklen Tage mit der Zeit weniger, die hellen und bunten Tage immer mehr. Das gab mir damals Hoffnung, machte mir Mut und zeigte mir, wie schön das Leben ist.
Dominiks Tod zeigte mir, was wichtig ist im Leben. Und durch den Trauerprozess lernte ich, was mir guttut. Dafür danke ich ihm vom Herzen. (Und das sind nur zwei von 75 Dingen, für die ich meinem verstorbenen Sohn dankbar bin.)
Heute sehe ich die Welt mit anderen Augen und lebe im Hier und Jetzt. Nicht wie früher, als ich mich nach meiner Excel-Liste richtete und einen neuen Countdown startete, sobald ein Meilenstein erreicht war.
„Der Weg ist das Ziel“ ist dabei nicht nur irgendein Zitat des chinesischen Philosophen Konfuzius, sondern ein Hoffnung spendender Satz, der mich begleitet und immer wieder ebnet, wenn ich doch einmal gedanklich einen Countdown starten möchte. Schließlich ist der Weg, also der Lernprozess, wichtiger als das angestrebte Ziel selbst.
Darüber öffentlich bloggen zu können und über Tod und Trauer zu schreiben, fühlt sich nicht nur befreiend an, sondern ist selbst ein Weg von Hoffen. Hoffen, dass es trauernde Menschen erreicht. Hoffen, dass es anderen Menschen hilft. Dieses „Ich kann es schaffen“ möchte ich unbedingt weitergeben.
7. Liebe bewahren
Last but not least: Trauer ist Liebe.
Je mehr man den/die Verstorbene:n geliebt hat, desto mehr schmerzt es. Und das eigene Kind liebt man oftmals am meisten. Daher ist der frühe Kindstod meist am schmerzhaftestes.
Sternenkinder hatten kein langes und erfülltes Leben, auf das man zurückblicken kann.
Sternenkinder hatten oft nicht mal die Möglichkeit, die Liebe ihrer Eltern zu spüren.
Und doch vergeht die Liebe der Eltern für ihr Kind nicht – auch nicht nach seinem Tod.
So gibt es viele Möglichkeiten, seine Liebe zum eigenen Sternenkind auszudrücken: Einige stricken Kleidung für andere Sternenkinder, andere begleiten Sternenkind-Familien in ihrer Trauer. Auch Fotografen, Trauerredner, Podcaster, Hersteller sämtlicher Andenken und viele mehr bewahren ihre Liebe zu ihrem verstorbenen Kind, um sich ihm so nah zu spüren.
Mein Weg ist vielfältig. Doch die zentrale Rolle spielt das Schreiben meines Trauerblogs bzw. Sternenkind-Mama-Blogs.
Es ist ein Weg, Dominik in meinem Leben zu halten.
Meine Worte sind ein Ort, an dem meine Liebe bestehen bleibt – sichtbar und spürbar. Für immer!
Fazit zum Trauerblog
Über Trauer zu bloggen bedeutet für mich nicht, ständig im Schmerz zu sein.
Es bedeutet:
- das Leben in all seinen Facetten anzunehmen,
- anderen die Hand zu reichen, die gerade in der Dunkelheit stehen,
- meiner eigenen Geschichte und somit meinem verstorbenen Sohn sowie allen anderen Sternenkindern auf meinem Blog ihren Platz in unserer Gesellschaft zu geben.
Vielleicht ist es genau das, was ich daran liebe:
Dass es mich mit anderen verbindet – und gleichzeitig mit mir selbst.
Tut es dir gut, über deine Trauer zu schreiben? Erzähl‘ es mir gern in den Kommentaren.
Liebe Steffi, der Satz „Ich hatte Angst, dass meine Gefühle „falsch“ sind“, bewegt mich sehr, weil mich das so lange so sehr beschäftigt hat – vor allem, dass ich verstanden habe sie „falsch“ sind, weil ich es vor meinen Sternenkindern auch so gesehen habe und nun nach meinen Sternenkinder weiß, dass es kein Falsch gibt. Als weitere Gründe für deine Grund zu bloggen, bzw. das wäre zu vermessen, also nenne ich es mal – weitere Auswirkungen deines Bloggens sind : Ermutigung und Ermächtigung. Ohne dich hätte ich mich die Blickwinkelreihe so gar nicht angefangen (es rührt mich übrigens ganz arg, dass sie dir so taugt), weil ich es Mut braucht über Trauer zu sprechen und dabei seinen eigenen Blickwinkel zu teilen, der nochmal anders sein kann, als der anderer Trauere der und auch das ermächtigen, was viele verschiedene Kanäle angeht, einfach machen, indem genutzt wird was möglich ist: Insta, Website, Podcast, Artikel, gastbeiträge und natürlich Bücher – ein Glück das du über den Tod und die damit verbundene Trauer schreibst, weil Liebe das Leben einfach aus macht. Danke <3
Awww, liebe Tanja. Vielen Dank für deine Nachricht. Sie berührt mich sehr, vor allem deine Zeilen über die „Auswirkungen meines Bloggens“. Soweit hatte ich selbst gar nicht gedacht.
„Ermutigung und Ermächtigung“ – das klingt so würdevoll und hilfreich.
Wertschätzende Kommentare und (virtuelle) Begegnungen wie die mit dir, sind es, die mich motivieren, immer weiter zu machen. Auch wenn die Zeit im Alltag noch so knapp ist.
Danke, danke, danke!