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Rezension zum Notfallseelsorge-Buch „Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war“

„ ‚Oh nein, das könnte ich ja nicht‘ ist einer der Sätze, die wir in der Notfallseelsorge am häufigsten hören, wenn wir erzählen, dass wir uns um Menschen in Ausnahmesituationen kümmern.“ – Zitat aus „Und plötzlich ist nichts mehr wie es war“*

Diesen Satz habe ich als Begleiterin einer Selbsthilfegruppe und Patin für trauernde Eltern auch schon oft gehört und fühlte ihn sofort beim Lesen. Dennoch habe ich großen Respekt vor der Leistung der Notfallseelsorger:innen, den Menschen in den lila Westen.

Hätte ich nur die Geschichten gelesen, würde ich diesen Satz wohl ebenfalls genau so zu Notfallseelsorgenden sagen. Doch die Kapitel dazwischen, die Theorie, haben meinen Blick verändert. Das heißt nicht, dass ich mir diese Aufgabe nun zutrauen würde. Aber die große Angst und Überforderung sind verschwunden – weil ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, weil ich hingesehen habe, statt die Augen zu verschließen.

Genau das sollten wir alle tun: hinsehen und im besten Fall darüber sprechen. Über dieses Buch, über eigene Erfahrungen, über die Menschen, die ehrenamtlich so viel leisten – und damit nicht nur Betroffenen helfen, sondern der gesamten Gesellschaft.

Das ist meine Rezension zum Buch „Und plötzlich ist nichts mehr wie es war: Ein Notfallseelsorger über Schicksalsschläge und Hoffnung“* von Albi Roebke und Lisa Harmann.

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Wer hat das Buch über die Notfallseelsorge geschrieben?

Lisa Harmann hat dieses wichtige Buch „Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war“ geschrieben. Sie ist Journalistin, Redakteurin, Kolumnistin und Familientrauerbegleiterin. Auf ihrem Elternschaftsblog „Stadt Land Mama“ habe ich in den vergangenen 10 Jahren schon viele Artikel gelesen. Neu war mir jedoch, dass sie auch Notfallseelsorgerin ist, ausgebildet von Albi Roebke. Ohne ihn gäbe es dieses Buch nicht.

Albi Roebke ist seit 25 Jahren in der Notfallseelsorge in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis tätig. Neben seiner großen Erfahrung in der Krisenintervention teilt er auch seine ganz persönlichen Schicksalsschläge.

Zusammen mit Betroffenen, Kolleg:innen, Wegbegleiter:innen und sogar Albis Kindern geben Lisa und Albi einen tiefen, vielschichtigen Einblick in die wertvolle und anspruchsvolle Arbeit der Notfallseelsorge.

Worum geht es im Notfallseelsorge-Buch von Lisa Harmann und Albi Roebke?

Im Buch „Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war“ geht es um die umfangreichen Aufgaben in der Notfallseelsorge, den Umgang mit Tod und Trauer und die Frage, wie wir Krisen überstehen können.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie heutzutage mit Tabuthemen wie diesen umgegangen wird. Nämlich am liebsten gar nicht. Doch je schneller und professioneller in Krisen reagiert wird, desto besser ist dies für die Verarbeitung eines Schicksalsschlags. Oft sogar ohne in einer traumatischen Dauerschleife stecken zu bleiben

Braucht es dieses Buch überhaupt?

Ja – unbedingt. Weil Tod, Trauer und Verlust in jeglicher Hinsicht in unserer Gesellschaft noch immer tabuisiert werden. Viele Menschen meiden sie, bis sie selbst oder jemand im nahen Umfeld betroffen ist. Doch genau hier setzt „Und plötzlich ist nichts mehr wie es war“* an: Es nimmt uns die Angst, genauer hinzusehen.

Dieses Buch macht sichtbar, wie Notfallseelsorge wirkt und warum sie für unsere Gesellschaft unverzichtbar ist. Es geht nicht um Sensationsgeschichten, sondern um Menschlichkeit, Resilienz und das, was uns in den dunkelsten Momenten tragen kann.

Aus diesem Grund werden auch die herausforderndsten Einsätze erzählt. Aus ihnen lässt sich am meisten für „alltägliche“ Krisen lernen. So wird im Buch gut erklärt, warum Menschen in Extremsituationen so reagieren, wie sie es tun.

Meine 5 wichtigsten Erkenntnisse aus „Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war“

Auch wenn der Querschnitt der Einsätze so unterschiedlich war (Suizid einer 4 Vierfach-Mutter, plötzlicher Kindstod, Flutkatastrophe im Ahrtal, uvm.), so wurden doch immer wieder ähnliche Themen angesprochen.

1. Kontrolle zurückgewinnen

In den beschriebenen Fällen wird deutlich, dass das Urvertrauen verloren wurde. Um es wiederzuerlangen, ist es essentiell, selbst in kleinsten Momenten die Kontrolle übernehmen zu können. Nur so wird die Ohnmacht, die über einen hereingebrochen ist, erträglicher.

So war mir in der ersten Geschichte noch nicht klar, warum es so wichtig war, dass das Kind, das seine Eltern verlor, eine Pizza wollte. Erst mit den nächsten Geschichten verstand ich, dass es lediglich um das Entscheiden selbst geht. Es ist lebenswichtig zu spüren, dass man es selbst noch steuern kann. Nur so kommt etwas Normalität in eine sonst so furchtbare, tragische Situation. Das macht einen großen Unterschied.

2. Was ist Notfallseelsorge?

Im Kern geht es bei der Notfallseelsorge nicht darum, Probleme „sofort zu lösen“, sondern in der ersten, oft unerträglichen Phase von Schock und Trauer Halt zu geben, zuzuhören und auszuhalten.

Sofern die Menschen aus der Schockstarre zurück ins Handeln begleitet wurden, kann auch weitere Hilfe zu Beratungsstellen, Psycholog:innen oder Selbsthilfegruppen hergestellt werden.

Es geht ebenso darum, praktische Hilfe zu organisieren:

  • Wer soll informiert werden?
  • Gibt es Kinder, die betreut werden müssen?
  • Muss jemand nach Hause gebracht werden?

Hierfür wird oft ein ganzes Team aus Notfallseelsorger:innen benötigt, die Hand in Hand arbeiten. Im Buch konnte ich das anhand der Einsätze gut mitzuverfolgen. Dieses ehrenamtliche Engagement aller Beteiligten verdient großen Respekt!

3. Sprache, Informationen & Todesnachricht

Wie ich es bereits von der Begleitung von trauernden Eltern kenne, ist Sprache wichtig. Albi erklärt im Notfallseelsorgebuch, dass Dinge konkret benannt werden sollen, ohne Umwege, ohne blumige Formulierungen. Das kam mir bekannt vor.

Dass allerdings Informationen nur auf Nachfrage preisgegeben werden, das war mir neu. Die Betroffenen sollen selbst entscheiden, wie viel und was sie erfahren möchten. Am besten nur Stück für Stück, damit sie es nach und nach verarbeiten können.

Außerdem ist es wichtig, welche Person schlimme Nachrichten überbringt. Diese Person wird unter Umständen immer mit negativen Gefühlen verbunden sein. Daher überbringt oftmals die recht neutrale Polizei die Nachricht bei einem Todesfall.

4. Gefühlte Nähe

Das Phänomen der „gefühlten Nähe“ betrifft eine große Gruppe Nicht-Betroffener. Es tritt nach furchtbaren Ereignissen wie Anschlägen auf Volksfesten oÄ auf, wenn Menschen einen persönlichen Bezug zum Ort haben.

In diesen Fällen kann auch ihr Urvertrauen, das Vertrauen in die Welt, zeitweise erschüttert werden. Es lohnt sich in jedem Fall, darüber zu reden oder es als Zuhörer ernst zu nehmen.

5. Optimismus und Trauer schließen sich nicht aus

Auch Menschen mit ganz viel Lebensfreude können entgegen vieler Erwartungen gute Trauerbegleiter:innen und Notfallseelsorger:innen sein. Gerade wer das Leben liebt, kann andere gut durch dunkle Zeiten begleiten.

Oft bedingt sich beides einander, denn Menschen, die selbst Verluste erlitten haben, können oft das Leben bewusster leben. Sie genießen schöne Momente mehr, weil sie die tiefsten Tiefen erlebt haben und so mehr Blickwinkel kennen. Denn letztlich…

„Nur wenn wir selbst sicher stehen, können wir andere gut halten.“ – Kati Bohnet, Traumatherapeutin

Für wen lohnt sich das Buch über die Notfallseelsorge?

Dieses Buch ist für alle, die verstehen wollen, wie Menschen Krisen überstehen können – ob als Betroffene, Angehörige, Freund:innen oder einfach als Menschen, die nicht wegsehen wollen.

Besonders wertvoll ist es für alle, die beruflich oder ehrenamtlich mit Trauer, Tod und Krisen zu tun haben:

  • Notfallseelsorge
  • Trauerbegleitung
  • Rettungsdienst
  • Pflege
  • Polizei
  • Psychologie
  • Pädagogik

Aber auch jede:r, der das Leben in seiner ganzen Zerbrechlichkeit begreifen möchte, wird darin wichtige Impulse finden.

Kann das Notfallseelsorgebuch bei eigener Trauer helfen?

Ich denke schon, denn sowohl das vermittelte Hintergrundwissen als auch die Erfahrungsberichte zeigen konkrete Möglichkeiten, wie Schicksalsschläge überwunden werden können.

Letztlich muss aber jede:r aus eigener Kraft seine Krise bewältigen. Die Notfallseelsorger:innen reichen den Betroffenen – und in diesem Fall den Leser:innen – lediglich das Werkzeug und geben Orientierung.

Das hört sich nach einem steinigen Weg an? Das ist es auch. Doch er fördert ebenso die eigene Resilienz, macht Mut und zeigt, dass wir mehr aushalten können, als wir glauben. Das hervorzuheben, war den Betroffenen und Notfallseelsorgenden besonders wichtig.

Meine persönliche Bewertung

5 von 5 Sterne

5-Sterne-Bewertung

Warum?
Weil mich dieses Buch gleichermaßen berührt, aufgeklärt und gestärkt hat. Es verbindet schwerste Schicksale mit Hoffnung, gibt konkrete Hilfen für den Alltag und würdigt gleichzeitig die stille, oft unsichtbare Arbeit der Notfallseelsorge.

Fazit zu „Und plötzlich ist nichts mehr wie es war“

Dieses Buch sollte jede:r einmal gelesen haben. Selbst wenn die Geschichten zu schwer erscheinen, lohnt sich ein Blick in die Info-Kästchen und die Kapitel zu Trauer, Trauma und Suizid. Albis Wissen aus 25 Jahren Notfallseelsorge, ergänzt durch psychologische und neurologische Hintergründe, macht uns selbst krisenfester und kann helfen, andere besser zu begleiten.

Denn am Ende bleibt ein universeller Tipp aller Notfallseelsorger:innen (auch von Albi), Trauerbegleiter:innen und Selbst-Betroffenen:

Sag‘ lieber „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, als zu schweigen.


Das Buch gibt es übrigens als:


Hast du das Buch über die Notfallseelsorge von Albi und Lisa ebenfalls gelesen? Wenn ja, was war deine größte Erkenntnis?

Falls nicht: warum nicht?

Ich bin auf deine Antwort im Kommentarfeld gespannt! 😊

Das Buch wurde mir von Lisa Harmann zur Verfügung gestellt. Ich bedanke mich dafür herzlich. Dies hat meine Meinung nicht beeinflusst.

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